Wer sich ab Mitte der 1970er-Jahre in der Schweiz für Konzerte der härteren Gangart interessierte, kam um einen Namen nicht herum: Free & Virgin. Hinter dem Logo mit der barbusigen Meerjungfrau steckten zwei junge Männer namens Heinz Meier und Harry Sprenger.
Während der Platzhirsch und Konkurrent Goodnews bekannte Acts ins Hallenstadion brachte, veranstalteten Free & Virgin Konzerte an kleineren Orten, etwa im Albisgüetli, Drahtschmidli (heute Dynamo) und vor allem im Volkshaus.
Das Herz von Free & Virgin schlug für Rockmusik, wobei der Veranstalter eine Nase für kommende Trends hatte: 1977 holte er etwa die Ramones und The Clash in die Schweiz – und zwei blutjunge Bands namens Die Toten Hosen und Die Ärzte. Ausserdem stand 1984 im Volkshaus zum ersten Mal überhaupt in Europa eine Band auf der Bühne, die später Musikgeschichte schreiben sollte: Metallica.
Metallica in die Garderobe eingesperrt
Der Auftritt der Ami-Gruppe sollte legendär werden. Nicht nur, weil ihre Musik gut ankam: Wie Sprenger später in der Sendung Music Night erzählte, «dekorierten» Metallica vor lauter Freude über ihren Erfolg die Garderobe mit Essen.
Weil sie keinen Rappen in der Tasche hatten und somit die Reinigung nicht bezahlen konnten, sperrte Sprenger die Jungs von Metallica kurzerhand in die Garderobe ein und stellte Security davor. Erst als ein Vertreter der Plattenfirma vorbeikam und 200 Franken für die Reinigung auf den Tisch legte, wurde die Band frei gelassen.
Die wilden 1980er-Jahre waren von einem gesellschaftlichen und musikalischen Umbruch geprägt. Free & Virgin hatte den Mut, die neuen Metal- und Punkbands in die Schweiz zu holen. Sie prägten so die musikalische Untergrund-Szene massgeblich mit.
Steiler Aufstieg, steiler Fall
Im Verlauf der 1980er-Jahre stiess Stefan Matthey zu Free & Virgin. 1996 übernahm er zusammen mit Sprenger die Geschäftsführung. Sie seien schon etwas «pfadimässig» unterwegs gewesen damals, erzählt er.
Ihr Alltag sei ein «organisiertes Chaos» gewesen. Mit ihren zerknitterten Quittungen hätten sie den Buchhalter regelmässig zur Verzweiflung gebracht.
Im Verlauf der 1980er- und 90er-Jahre wurden die Shows, die Free & Virgin veranstalteten, immer grösser. Als dann 2011 für das Sonisphere-Festival in Basel anstatt der erhofften 40'000 nur 21'000 Tickets verkauft wurden, musste der Veranstalter Konkurs anmelden.
Es folgte eine Anklage des Züricher Obergerichts. Der Vorwurf: Misswirtschaft. Ausserdem habe man bei der Angabe der verkauften Tickets geschummelt und so die SUISA betrogen. 2018 wurde Sprenger vom Bundesgericht in allen Anklagepunkten freigesprochen.
Früher war mehr Rock'n'Roll
«Früher war Veranstalten noch Rock’n’Roll. Heute ist jedes Konzert ein Gang an die Börse», sagt Matthey, der heute als CEO bei Goodnews arbeitet. Da mit dem Verkauf von Platten und CDs kaum noch Geld verdient werden kann, ist das Konzertwesen umso wichtiger geworden. Entsprechend wird hier mittlerweile mit Zahlen jongliert, bei denen ein einzelner unabhängiger Veranstalter wie Free & Virgin nicht mehr mithalten könnte.
Praktisch alle grossen Festivals und Open Airs haben einen internationalen Konzern im Rücken. Das Konzertwesen ist eine global organisierte Industrie geworden: unabhängig Wirtschaften geht nur noch auf kleinem Niveau.