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Wie reagiert die US-Rapszene auf Trumps Abwahl?
Aus Kontext vom 03.12.2020. Bild: Keystone
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Rap und US-Wahlen Hip-Hop-Experte: «Cardi B. schickte ihr Publikum ins Wahllokal»

Sie rappen über ein Amerika am Abgrund und rechnen mit Donald Trump ab: Die US-Rapszene mischt im Politjahr 2020 an vorderster Front mit. Hip-Hop sei ein wichtiges Sprachrohr der afroamerikanischen Bevölkerung, sagt der Musikjournalist Davey D. Cook. Das werde sich auch nicht ändern.

Davey D. Cook

Davey D. Cook

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Davey D. Cook ist ein Pionier des Hip-Hop-Journalismus. Er kommt aus der Bronx und war bei der Entstehung der Hip-Hop-Bewegung von Anfang an dabei. Heute lebt er in Oakland, hostet die renommierte Sendung «Hard Knock Radio» auf KPFA 94.1 FM, betreibt den Blog «Davey D’s Hip Hop Corner» und unterrichtet Hip-Hop und Identitätspolitik an der San Francisco State University

SRF: Im Umfeld der US-Wahlen war und ist der amerikanische Hip-Hop extrem produktiv. Was fällt Ihnen auf, wenn Sie sich aktuelle Songs anhören?

Davey D. Cook: : Ich nehme mal zwei Beispiele abseits des Mainstreams. Die Rapperin Mystic hat mit ihrem Song «We Are The People» kurz vor den Wahlen eine Art Abrechnung mit Donald Trump veröffentlicht. Agallah, M1 und Hakim Green reflektieren die Nachwehen der Wahlen in einem Song, der auch «We The People» heisst.

In beiden Songs geht es darum, dass es noch viel Arbeit bleibt, um ein besseres Land aufzubauen. Und dass viele Probleme der afroamerikanischen Bevölkerung trotz Trumps Abgang ungelöst sind.

Hip-Hop und die US-Wahlen 2020

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Für die diesjährigen Präsidentschaftswahlen war Hip-Hop ein wichtiges Werkzeug für die Registrierung von Millionen junger Leute als Wählerinnen und Wähler: Auf lokaler Ebene haben sich Organisationen wie die von P. Diddy ins Leben gerufene Initiative «Citizen Change» engagiert oder die von der Rapperin Mystic mitgeleitete Organisation «Hip Hop Caucus», die sich an unterprivilegierte junge Erwachsene richtet.

Auf nationaler Ebene haben sich viele Rapper wie P. Diddy, Jeezy oder 2 Chainz für Joe Biden starkgemacht – auf Social Media, indem sie Werbespots fürs Radio aufnahmen oder bei seinen Wahlveranstaltungen Konzerte gaben. Kanye West trat gleich selbst zur Präsidentschaftswahl an – und bekam 60’000 Stimmen.

Aber auch Trump hatte prominente Unterstützer von Ice Cube über Lil Wayne bis 50 Cent. Dass sich schwarze Rapper für Trump begeistern, begründet die Anthropologin Su’ad Abdul Khabeer damit, dass er für einige Afroamerikaner nach wie vor ein Ideal des US-amerikanischen Super-Kapitalismus verkörpere.

Wie haben sich Rapperinnen und Rapper konkret in dieses politische Jahr 2020 eingebracht?

Einige waren sehr erfolgreich darin, die Gefühle der Bevölkerung aufzugreifen und für die schwarze Community zu sprechen.

Diese wichtige Funktion wurde letzten März deutlich, als die 26-jährige Afroamerikanerin Breonna Taylor von der Polizei erschossen wurde – nachts, als sie in ihrer Wohnung schlief. Sie war unschuldig.

Plakate einer jungen Frau und Kerzen zieren einen Vorplatz
Legende: Plakate von Breonna Taylor gehören zur Black Lives Matter-Bewegung. Viele Hip-Hoper unterstützen die Bewegung – nicht nur ideell, sondern auch finanziell. AP Photo / Darron Cummings

Aber keiner der Polizisten wurde angeklagt, und der Fall wurde lange ignoriert. Es waren Rapperinnen und Rapper, die darauf aufmerksam gemacht haben – durch Songs wie «Say Her Name» von Master P. oder «I need you to (Breonna Taylor)» von Tobe Nwigwe.

Chuck D. von Public Enemy hat einmal gesagt, Hip-Hop sei das «CNN des schwarzen Amerika». Trifft das in Zeiten von Social Media noch zu?

In den Anfängen von Hip-Hop gab es kein Internet. Wenige Leute mit viel Macht haben kontrolliert, wer ins Radio oder ins Fernsehen kommt. Wenn es mal ein Rapper oder eine Rapperin schaffte, stand er oder sie unter Druck, etwas im Namen der schwarzen Bevölkerung zu sagen.

Und das taten Public Enemy mit «Fight The Power». Heute haben die Künstler durch Social Media einen direkten Draht, sowohl zu ihrem Publikum als auch zu den Menschen an der Macht.

Hip-Hop und die US-Präsidenten: Drei Beispiele

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  • 1986: Der Hip-Hop-Klassiker «Eric B. is President»

Der Text dieses Songs von Eric B. und Rakim ist wenig politisch. Aber die verwendeten Samples (James Browns «Funky President» und Honey Drippers «Impeach the President») sowie der Titel «Eric B. is President» sprechen für sich: Was wäre, wenn nicht Ronald Reagan, sondern der Rapper Eric B. Präsident wäre? Ein Afroamerikaner als Präsident – 1986 war das noch pure Zukunftsmusik.

  • 1992: Der «Sister Souljah Moment»

Während eines Auftrittes vor afroamerikanischen Aktivisten distanziert sich der Präsidentschaftskandidat Bill Clinton von der Rapperin Sister Souljah. In einem Interview hatte sie zur Ermordung von Weissen aufgerufen. Clintons klare Kante gegen extremistische Positionen beruhigt die Mitte-Wähler und bringt ihn auf die Zielgerade als zukünftiger Präsident.

  • 2009: Wahl von Barack Obama

Barack Obama ist der erste Präsident, der die Hip-Hop-Kultur wirklich versteht. In seinen Reden bezieht er sich auf Jay-Z und Kanye West, in einer TV-Konzertübertragung rappt er den Song «Fight The Power» von Public Enemy mit und lädt Rapper als Berater ins Weisse Haus ein.

Ein Beispiel dafür ist die Rapperin Cardi B. Sie hat 80 Millionen Follower auf Instagram und ist in der demokratischen Partei gut vernetzt.

Cardi B. hat mit «WAP» einen nicht jugendfreien Song gemacht, in dem es um nasse nackte Hintern und diverse Sexualpraktiken geht. Das Musikvideo hat 300 Millionen Klicks auf YouTube.

Aber das ist nur die Oberfläche. Über diesen Song hat Cardi B. Follower angelockt und ihre Rolle als Influencerin klug genutzt: Sie hat aktivistischen Underground-Organisationen ihre Plattform gegeben, sich mit Bernie Sanders getroffen und ihre Fans über Social Media politisiert. Sie hat also ihr Publikum nicht etwa in den Stripclub geschickt, sondern ins Wahllokal.

Cardi B. steht mit dieser Strategie in der Tradition von Harry Belafonte. Er hat mal gesagt: «Erst musst du es schaffen, dass jeder deine Lieder singt, dann kannst du politisch aktiv werden.»

Auf ihrem neuen Album haben Public Enemy «Fight The Power» von 1989 neu geremixt. Funktioniert der Song heute noch?

Ja, absolut. Die Themen sind seit den Anfängen von Public Enemy die gleichen: Rassismus, Polizeigewalt und Armut. Diese Themen werden weiterhin wichtig sein.

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Altmeister mit Dringlichkeit: Public Enemy können es noch
aus Black Music Special vom 25.09.2020.
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Der einzige Unterschied ist, dass wir jetzt wissen, welche Bedrohung es ist, wenn eine autoritäre Figur an die Macht kommt. Das sollte eine Warnung sein. Hip-Hop kann sich nicht schlafen legen.

Das Gespräch führte Theresa Beyer.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 3.12.2020, 9:03 Uhr;

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