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Rebecca Saunders Die Lautmalerin der Stille

Die britische Komponistin Rebbeca Saunders gewinnt den prestigeträchtigen Ernst-von-Siemens-Musikpreis – als erst zweite Frau.

London, Berlin, Asturien: Drei Orte haben das Leben und das Werk von Rebecca Saunders geprägt. Nun erhält die 51-jährige Komponistin den mit 250’000 Euro dotierten Ernst-von-Siemens-Musikpreis – inoffiziell auch als «Nobelpreis der Musik» bezeichnet.

Erstens: London. Da ist Rebecca Saunders aufgewachsen, in einem sehr musikalischen Haushalt. Beide Eltern und auch die Grosseltern waren Pianisten.

Vier Klaviere gab es im Haus, Musik überall, Klassik, Jazz, alles. Ständig. Die kleine Rebecca malte, während der Vater Sänger begleitete. Oder sie lag unter einem der Flügel und badete im Klang.

Lärm versus Stille

Zweitens: Berlin. Heute lebt sie in Berlin, nicht gerade eine leise Gegend. Sie mag das. «Ich liebe die scheinbare Kakofonie», sagt sie, «den Lärm, das Metall, die Stimmen, Steine und Maschinen. Die Energie und die Klänge einer städtischen Umgebung geben mir das Gefühl, lebendig zu sein.»

Drittens: Asturien, spanische Nordküste. Da war sie einmal in einem Häuschen, das vor langer Zeit in die Felsen hinein gebaut worden war. Ein ganz besonderes Häuschen: der dunkelste und stillste Ort der Welt.

Keine Geräusche, keine Vögel, keine Insekten, kein Wasser, nichts, «just dense blackness and absolute emptiness» – nur dichte Schwärze und absolute Leere.

Saunders lässt Farben erklingen

Es sind diese drei Lebenserfahrungen von Rebecca Saunders, die auch ihre Musik geprägt haben. Da ist einmal die Stille. «Stille ist wie die Leinwand hinter dem Klang», sagt sie.«Stille rahmt den Klang.» Saunders’ Musik entsteht aus der Stille, erforscht die verschiedenen Facetten von Stille.

Das können geradezu philosophische Reflexionen über Farbtöne sein: «crimson», Purpurrot, heisst ein Stück von ihr, ein anderes «cinnabar», Zinnober. Oder «into the blue»: ein instabiler, sich aus der Stille heraus entwickelnder Klangtyp, statisch, reduziert, skelettartig, zurückgenommen.

Da ist zum anderen ein aggressiver Klangtyp, laut und emotional. Und beide Klangtypen, nennen wir sie Zorn und Melancholie, sind eingebettet in die Grunderfahrung von Rebecca Saunders: Klang ist körperliche Erfahrung, ein Erleben, das auf alle Sinne zugreift.

«Ich brauche nur wenig Input, um ein Stück zu schreiben», sagt Rebecca Saunders. «Der Hauch eines Klangs, der meine Aufmerksamkeit fesselt; eine körperliche Geste, die aber eine ganze Welt in sich verbirgt – eine besondere Klangfarbe und wie sie in einen anderen Klang übergeht.»

Zweite weibliche Preisträgerin

Rebecca Saunders ist erst die zweite weibliche Preisträgerin in der 45-jährigen Geschichte dieses Preises. Dass sie jetzt den Ernst-von-Siemens-Musikpreis erhält – das ist gut, richtig und überfällig.

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