Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Musik Rudi Mahall spielt Bassklarinette – sonst nichts

Der Berliner Musiker Rudi Mahall ist ein Unikum: Er beschränkt sich bewusst auf Weniges – nämlich nur auf das, was er besser kann als andere. Er gräbt lieber in der Tiefe als ein Riesenfeld zu beackern. Seine musikalische Forschungsarbeit lohnt sich: Er fördert völlig eigenständige Klänge zutage.

Junge Musiker, die heute aus den Jazz-Hochschulen kommen, können fast alles: Viele Instrumente perfekt spielen, neben Saxofon auch Flöte und Klarinette zum Beispiel, sie können Partituren lesen wie Bücher und sind jederzeit in der Lage, im Stil eines Beboppers eine Improvisation abzuliefern – oder, wenn’s sein muss, auch eines Dixielandmusikers. Sie sind überall einsetzbar, im Trio oder in der Big Band, liefern immer professionelles Handwerk. Oft aber keine Kunst.

Der Bassklarinettist Rudi Mahall, aus Nürnberg stammend und heute im Raum Berlin lebend, kann nur eines: auf der Bassklarinette improvisieren. Dies macht er allerdings so gut und eigenständig, dass nicht mehr nötig ist. Mahall befindet sich damit in einer langen Jazztradition: Viele der grossen Improvisatoren in dieser Musik – Coleman Hawkins, Louis Armstrong, Ben Webster – machten ein Leben lang nichts anderes, als auf ihrem einzigen Instrument auf ihre eigene Art zu improvisieren.

Ruppig statt säuselnd

Die Bassklarinette, Rudi Mahalls Instrument, ist allerdings ein spezielles Ding: Fast in jeder Musik ist sie nur Nebeninstrument. Man nimmt sie, um Klangfarben zu zaubern, im Symphonieorchester, in der Jazz Big Band, sogar in der Volksmusik. Der erste Jazzmusiker, der sie als vollwertiges Instrument brauchte, war Eric Dolphy in den 1960er-Jahren. Insofern ist jeder improvisierende Bassklarinettist erst einmal sein Nachfolger. Rudi Mahall allerdings hat eine eigene Spielweise gefunden, die Dolphys Vokabular erheblich erweitert.

Zum Beispiel die Ruppigkeit: Bei Rudi Mahall wird aus dem weich klingenden Bassinstrument, das tiefe Töne säuseln kann, eine aggressiv und hoch klingende Sirene. Er hat keine Mühe, sich mit seinem Instrument auch ohne Mikrofon auf einer Clubbühne durchzusetzen. Dabei spielt er hochvirtuos, überbläst es in alle Höhen und entwickelt einen Druck, der seine Mitspieler herausfordert und das Publikum nicht kalt lässt. Und obwohl er sich melodisch und harmonisch alle Freiheiten nimmt, swingt Rudi Mahall wie der Teufel. «Wenn's nicht swingt, interessiert es mich nicht», sagt er.

Jeder will ihn in der Band haben

Diese Mischung aus absoluter Instrumentenbeherrschung, eigenständiger Improvisationskunst und nicht zuletzt ansteckendem Spielwitz macht, dass Mahall sich über Arbeitsmangel nicht beklagen muss. Jeder will ihn in seiner Band haben. Er ist ein Katalysator, der die Musik oft über sich hinauswachsen lässt und jede Band besser klingen lässt.

Es passt gut, dass Rudi Mahall nur telefonisch erreichbar ist. Er besitzt keinen Computer, somit keine Mailadresse und schon gar keine Homepage. Ein altes Handy muss reichen. Rudi Mahall spricht eigentlich auch nicht gern über seine Musik. Lieber macht er sie – zu seinem und zu unserem Vergnügen.

Meistgelesene Artikel