«Ich kann nicht mehr hören, wie Afrika in den Medien als schwach dargestellt wird», sagt die malische Sängerin Fatoumata Diawara. Als Zeitzeugin kommentiert sie die Flüchtlingskrise und fordert: «Ich will ein starkes Afrika!»
In vielen afrikanischen Ländern habe sie gesehen, dass gerade die junge Generation das Potential habe, ein neues Afrika aufzubauen.
Musik als Medizin
«Es macht mich krank, wenn ich soziale Missstände und Ungerechtigkeiten nicht zur Sprache bringe», sagt Diawara mit Nachdruck. «Musik ist meine Medizin, meine Therapie, mein Vater, meine Ersatzmutter, meine Rettung.» Deshalb schreibt die Künstlerin Liedtexte und komponiert Melodien.
Und sie hat etwas zu sagen. So heisst auch ihre neue Platte: «Fenfo». Übersetzt aus der einheimischen Sprache Bambara bedeutet das: Ich habe etwas zu sagen.
Auf «Fenfo» erhebt die 36-Jährige ihre Stimme für Kinder und Frauen in Mali. «Besonders bei Kriegen sind sie die Leidtragenden», sagt Diawara. Sie könne nicht verstehen, wie es permanent zu Konflikten kommt, die durch die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Volksgruppe oder Glaubensrichtung ausgelöst werden.
Kritische Chronistin
Die Beobachterin setzt diesem politisch instabilen Kontinent etwas Resolutes entgegen. Im Song «Nterini» erzählt sie die Liebesgeschichte eines jungen Afrikaners. Sie macht aus dem namenlosen Flüchtling einen Menschen, der Gefühle hat und ein normales Leben führt.
«Die jungen Menschen werden erst zu Flüchtlingen gemacht», sagt Diawara. Könnten sie ohne Einschränkung reisen, gäbe es dieses Migrationsproblem nicht mehr. In ihren Augen sollte sich jeder frei bewegen können. Migration sei etwas vollkommen Natürliches und Menschliches.
Fatoumata Diawara lebt in Frankreich und macht selbst immer wieder schlechte Erfahrungen, etwa wenn sie in ein anderes europäisches Land reisen will. «Jedes Mal erfahre ich erst kurz vor der Abreise, ob ich überhaupt einreisen darf», erklärt sie. Der Grund: ihr malischer Reisepass.
Die Sängerin kommt in Abidjan in der Elfenbeinküste zur Welt und wächst ohne Mutter auf. Sie ist so rebellisch, dass ihr Vater sie als 10-Jährige zu ihrer Tante nach Mali bringt. Dort fühlt sie sich alleingelassen. Trost und Verständnis findet sie schliesslich im Gesang.
Direkt und kämpferisch
«Musik hat in unserer Gesellschaft den Stellenwert einer Sprache, die man ganz selbstverständlich lernt», sagt Diawara. Sie wächst in einem Dorf in der Region Wassoulou auf, rund 150 Kilometer südwestlich von Bamako – im selben Ort wie die grosse Sängerin Oumou Sangaré.
Sangaré ist eine engagierte Feministin und Wegbereiterin des neuen weiblichen Selbstbewusstseins in Mali – und ein prägendes Vorbild für Fatoumata Diawara.
Sangaré setzt sich für die junge Künstlerin ein und ermutigt sie zu ihrer musikalischen Karriere. Diawara folgt der Pionierin in ihrem Engagement.
Auf ihrem Debüt «Fatou» etwa prangert sie die weibliche Beschneidung an. «Unsere Gesellschaft ist starr, erzkonservativ und in ihren Traditionen gefangen», beanstandet Diawara.
Sie habe durch ihre Reisen die Hintergründe und Zusammenhänge durchschaut. «Ich gehöre glücklicherweise einer neuen Generation von Frauen an, die dafür kämpft, der Genitalverstümmelung ein Ende zu setzen», sagt sie.
Wassoulou ist groovig
Fatoumata Diawara führt den eingeschlagenen Weg von Oumou Sangaré fort, geht aber musikalisch einen Schritt weiter. Sie passt ihren Sound den Hörgewohnheiten der jungen Generation an. «Wassoulou ist groovig», sagt sie. «Genau das brauchen wir.»
Stolz auf ihr musikalisches Erbe überschreitet Diawara Grenzen und kombiniert traditionelle afrikanische Saiteninstrumenten Kora und Ngoni mit elektronischen Beats sowie elektrischer Gitarre – immer mit einer visionären Kraft und einem scharfsinnigen Blick.