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Cristina Branco
Legende: Vor 18 Jahren veröffentlichte Cristina Branco ihr erstes Album. Getty Images

Sängerin Cristina Branco Tradition flirtet mit Indierock

Cristina Branco hat sich von Portugals traditionellem Musikstil Fado gelöst. Ihr neues Album feiert die Weiblichkeit und flirtet mit Indierock.

«Es stimmt, ich habe mit Fado angefangen, aber nicht aus Überzeugung», sagt Cristina Branco. «Die grosse Amália Rodrigues war meine Ikone, und ihrer Stimme habe ich nachgeeifert, nicht dem Genre.»

Vor 18 Jahren, als Reisen nach Portugal – und damit auch die traditionelle portugiesische Musik des Fado – hierzulande so richtig boomten, veröffentlichte die heute 44-jährige Sängerin ihr Debütalbum im eher traditionellen Ton.

Eine ausschliesslich weibliche Perspektive

Auf den Folgewerken scherte sie jedoch immer merklich aus: Sie packte mal ein Joni-Mitchell-Cover ins Repertoire, sang brasilianische Klassiker oder begab sich in die Fänge des Tangos.

Für den neuen Liederzyklus nimmt sie nun eine ausschliesslich weibliche Perspektive ein, wie der Titel «Menina» bereits verrät. Den solle man nicht einfach als «Mädchen» übersetzen.

«Im Portugiesischen kannst du als Frau immer ‹menina› heissen – als neugeborenes Mädchen, alte Jungfer oder auf dem Totenbett.»

In den verschiedenen «Meninas» des Albums stecke auch immer ein Stück von ihr selbst: Eine Frau, die bereits Einiges erlebt hat, sich nicht scheut, ihre Zerbrechlichkeit, ihre Verbitterung zu zeigen und frei von der Leber weg über Liebe, Leidenschaft und Eifersucht spricht.

Frei vom Machismo der Älteren

Der Clou an Brancos Ansatz: Sie fertigte nur grobe Skizzen der weiblichen Figuren an und gab diese dann in die Hände junger Poeten aus dem portugiesischen Indie-Rock.

«Sie sind frei vom Machismo der Älteren, sind zu Respekt vor Frauen erzogen», sagt Branco. «Diese Dichter- und Musikergeneration muss um ihr Überleben kämpfen, aber sie sind im Bewusstsein aufgewachsen, dass sie mit wenig auskommen. Sie sind die Essenz dessen, was Portugal heutzutage bedeutet.»

Tatsächlich haben sie hochpoetische, einfühlsame Texte über Weiblichkeit geschaffen, in denen sich nicht nur Branco, sondern auch ihre Mütter, ihre Geliebten, ihre Schwestern wiederfinden.

Ist Gott eine Frau?

«Menina» beherbergt eine Fülle an Geschichten: Der erst 20-jährige Luís Severo steuerte das liebestaumelnde «Alvorada» bei. Jorge Cruz vom Rocktrio Diabo Na Cruz schuf mit «Boatos» das Porträt einer attraktiven Lady, die von eifersüchtigen Geschlechtsgenossinnen in die Gerüchteküche geschickt wird.

CD-Hinweis

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Cristina Branco: «Menina». Universal Music, 2016.

André Henriques von der Erfolgsband Linda Martini zeichnet im Stück «E Às Vezes Dou Por Mim» das Porträt einer Frau, die aus wirtschaftlichen Zwängen heraus noch immer bei ihren Eltern wohnt und um ein eigenes Leben ringt.

Im Mantra-gleichen «Deus À» spielt der Kapverdier Luís Gomes mit seiner Überzeugung, dass Gott eine Frau ist.

So klingt «Menina»

«Meine aktuellen Musiker sind Jazzer, und ob sie es wollen oder nicht, sie klingen nach Jazz», sagt Branco. Jazz, Indierock und Fado: Ein stilistisches Dreieck, das gekrönt wird von einer Stimme, die unter denen Portugals eine der schönsten sein dürfte.

Sendung: Jazz und World aktuell, 25. Januar 2017, 20 Uhr

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