Die Eröffnung: Tränen und stumme Ränge
Die Sonne ging gerade unter am 22. August 1920, als von den Kirchtürmen herunter die «Jedermann»-Rufe erschallten und der reiche Protagonist, trotz seines Geldes, vom Tod geholt wurde. Dann war still, niemand klatschte. Der Erzbischof hatte Tränen in den Augen und Regisseur Max Reinhardt brachte kein Wort über die Lippen.
Mit diesem Stück waren die ersten Salzburger Festspiele eröffnet. Reinhardt und seine Gründungskollegen Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss sahen die Festspiele als Friedensprojekt.
Nach den Schrecken des Ersten Weltkrieges und dem Zusammenbruch der Monarchie sollte es schön, heiter, festlich und volkstümlich auf der Bühne zu- und hergehen. Kein Ort für politische Auseinandersetzung oder kritisches Denken also.
Nazi-Zeit: Nationale Gesänge mit Hitlerrufen
Ab 1938 wurden in der Hofstallgasse die Hakenkreuz-Fahnen gehisst und jüdische Künstler wie Max Reinhardt und Bruno Walter ausgeladen. Die neuen, die einzogen, hiessen Wilhelm Furtwängler, Clemens Krauss und Karl Böhm.
«Jedermann» auf dem Domplatz wurde ersetzt durch das «Lamprechtshausner Weihespiel», das in nationalen Gesängen und Hitlerrufen endete. Das internationale Publikum blieb weg. In den Zuschauerrängen sassen jetzt hauptsächlich Soldaten auf Heimaturlaub oder Verwundete sowie Arbeiter aus Munitionsfabriken.
Die Nachkriegszeit: Geschrumpftes Angebot
Im Mai marschierten amerikanische Truppen in Salzburg ein, im August fanden bereits wieder Festspiele statt. Als «Feier zur Wiedergeburt der kulturellen Freiheit» bezeichnete sie der amerikanische Oberbefehlshaber Mark W. Clark in seiner Eröffnungsrede.
Allerdings wurde ein Schrumpfprogramm geboten mit einer Oper und ein paar Konzerten. Die Wiener Sängerknaben sollten auftreten. Da sie aber nur die Uniformen der Hitlerjugend besassen, musste man ihnen Anzüge zur Verfügung stellen.
Die eigentliche Aufbruchstimmung liess noch etwas auf sich warten, kam dann aber mit Gottfried von Einem, der zeitgenössische Werke und junge Dirigenten herholte. Als aber von Einem Bertolt Brecht herbat, um einen neuen «Jedermann» zu schreiben, musste er gehen.
Von der Aufbruchstimmung zum Stillstand
1960 wurde das neue Festspielhaus eröffnet. Für den gigantischen Bau wurden 55'000 Kubikmeter Gestein aus dem Mönchsberg gesprengt.
Herbert von Karajan war die treibende Kraft. Fortan bestimmte er als «künstlerischer Leiter der Festspiele mit alleiniger Entscheidungskompetenz» was gespielt wurde, wer eingeladen wurde und wer nicht. Generalmusikdiktator wurde er bisweilen auch genannt.
Die Ära Karajan war golden, brachte viel Ruhm, Glanz und Geld nach Salzburg, kam dann aber zum Stillstand und erstarrte in Opulenz und Oberfläche.
Wiedererwachen mit Mortier
Mit ihm erwachten die Festspiele wieder: 1991 kam Gérard Mortier an die Salzach. Der Belgier war kein Künstler, aber ein Denker, ein Erneuerer, ein Zweifler und durch und durch ein Homme de théâtre.
Was auf die Bühne kam, durfte nun wieder gesellschaftliche und politische Relevanz haben, Kunst war kein Bespassungsprogramm. Peter Stein, Nikolaus Harnoncourt und Christoph Marthaler holte er dafür her. Obschon Mortier nach zehn Jahren die Stadt wieder verliess, wirkt bis heute nach.
Er war es, der damals den Pianisten Markus Hinterhäuser herholte und ihm eine eigene zeitgenössische Reihe übertrug. Hinterhäuser ist heute Intendant der Festspiele und wie schon für Mortier, hat auch für ihn «Kunst mit Denken zu tun».