Das Wichtigste in Kürze
- Seit seinem Amtsantritt wurden viele Songs veröffentlicht, die Donald Trumps Politik an den Pranger stellen.
- Bezeichnend für die Trump-Ära ist, dass die Communities zusammenspannen, sagt die Musikjournalistin Catalina Maria Johnson.
- Ein weiteres Merkmal der aktuellen Anti-Trump-Tracks: Die Minderheiten wollen ihre eigene Geschichte selbst erzählen.
Ein Fuck auf die Mauer! Ein Fuck auf die öffentliche und die persönliche Meinung! Die Leadsängerin der amerikanischen Punkband «Downtown Boys» schreit sich in «A Wall» ihre Wut von der Seele .
Sarkastisch und explizit: «A Wall» ist nur einer von vielen Songs, die in den letzten zwölf Monaten in den USA veröffentlicht wurden und Donald Trumps Politik an den Pranger stellen. Eine Protestwelle, die sich in verschiedener Hinsicht von vorherigen unterscheidet.
Minderheiten halten zusammen
«Bezeichnend für die Trump-Ära ist etwa, dass die Communities zusammenspannen. Das ist der einzige Weg, um zu überleben», sagt Catalina Maria Johnson. Die US-amerikanische Musikjournalistin mit mexikanischen Wurzeln bildet in ihrer Radioshow «Beatlatino» die Musik der Hispanics in den USA ab. Auch die Protestmusik.
So schliesst sich etwa Ani Cordero mit «Me Tumba» der Black Lives Matter-Bewegung an. Im Video zu diesem Song trägt die Latina einen schwarzen Kapuzenpullover – denselben wie einer der jungen Afroamerikaner, der von der Polizei erschossen wurde.
Ani Cordero zeigt auch echte Filmaufnahmen von Polizeieinsätzen, bei denen junge Schwarze getötet wurden. Dazu singt sie: «Das passiert jeden Tag, und das macht mich fertig.»
Plädoyer für Offenheit
Auch der amerikanisch-indische Soul-Sänger Zeshan B setzt sich für die schwarze Minderheit ein – mit seinem Cover von «Cryin’ in the Streets» . Das Original schrieb der Afroamerikaner George Perkins 1970 in Trauer über den ermordeten Martin Luther King.
Zeshan Bs Cover ist aber noch mehr als ein Beitrag zur Black Lives Matter-Bewegung. Denn im Video zeigt sich Zeshan B auch als betender Muslim oder US-Soldat.
«Amerikaner zu sein bedeutet, von woanders zu kommen», erklärt die Anthropologin Karima Daoudi. «Es gibt keinen Grund, warum es nicht möglich sein sollte, gleichzeitig ein praktizierender Muslim und ein Crooner zu sein, der Soulsongs singt. Jeder kann alles sein.» Somit ist Zeshan Bs Song auch ein Plädoyer für mehr Offenheit gegenüber Amerikas Diversität.
Die eigene Geschichte selbst erzählen
Ein weiteres Markenzeichen der aktuellen Protestmusik nennt die Musikjournalistin Catalina Maria Johnson «Control the Narrative» («Die Erzählungen kontrollieren»): «In den Medien werden die Geschichten von Minderheiten oft von anderen erzählt. Auch von Journalisten, die auf unserer Seite stehen. Aber sie erzählen diese Geschichten von ausserhalb. Sie sind unvollständig oder oberflächlich. Minderheiten müssen die Kontrolle über ihre Geschichten zurückgewinnen und ihre Story selbst erzählen.»
«Hollywood porträtiert uns falsch»
Das tut der Native American Frank Waln, wenn er gegen das Klischee des «wilden Indianers» ankämpft. Dafür veröffentlichte er einen Remix von «What makes the red man red» («Was macht den roten Mann rot»). Ein Song aus dem Disneyfilm «Peter Pan» von 1953, der die Native Americans als «Wilde» darstellt.
«Hollywood porträtiert uns falsch», rappt Frank Waln über die Samples der Originalspur. «Geschichtsbücher sagen, wir sind verschwunden / Dein Gott und deine Kirche sagen, wir liegen falsch / Wir kommen aus Erde, das macht uns stark.»
Relevant und modern
Mit diesem Song und anderen Liedern wie «Oil 4 Blood» trat Frank Waln im Frühling 2017 bei den Protesten der indigenen Bevölkerung gegen den Bau der Dakota Access Pipeline auf.
Doch Frank Waln geht es nicht nur darum, den Bau zu verhindern. Seine Auftritte haben noch eine weitere Ebene, erklärt die Anthropologin Karima Daoudi: «Er kombiniert traditionelle Tänze mit DJing und zeigt damit, dass die indigene Bevölkerung relevant und modern ist.»
Ein Weckruf
Frank Waln, Zeshan B und Ani Cordero sind drei Musiker, die gegen die Politik von Donald Trump protestieren. Drei von vielen. Das verleitet zu einer paradoxen These: Ist Donald Trump gut für die Kreativität von US-Künstlerinnen und Künstler?
Die Anthropologin Karima Daoudi zögert: «Es fällt mir schwer, ‹Trump› und ‹gut› in einem Satz zu verwenden. Aber seine Präsidentschaft ist ein Weckruf und das ist gut. Denn Künstler werden kreativ, wenn es ein Anlass gibt. Wenn sie etwas loswerden und sich befreien müssen.»