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Musik Sophie Hunger: «Akzeptiere, dass du nie Jesus sein wirst!»

Sängerin Sophie Hunger füllt Konzerthallen auf der ganzen Welt, gewinnt Preise, begeistert (fast) alle. Ist es ihre Stimme? Sind es ihre Texte? Ist es ihr Charisma? Ein filmischer Annäherungsversuch.

Die junge Frau schminkt sich im Halbdunkel und kichert. Backstage, kurz vor dem Auftritt. «Los, sag schon!», drängt der französische Filmemacher Jeremiah Sophie Hunger. «Hör auf zu lachen, sag schon!» Sie lenkt ein.

Die zehn Gebote im Umgang mit ihrer Rolle als Popstar

«Regel Nummer eins: Akzeptiere, dass du nie Jesus Christus oder Leonardo da Vinci sein wirst!» Ironisches Lächeln. «Wisse, dass Charlie Chaplin ein toller Geschäftsmann war und dass Bob Dylan versuchte, so auszusehen wie er.» Breiteres Grinsen.

Dann wieder scheint es Sophie Hunger ernst zu sein: «Sage dem Publikum nie, was es zu tun hat.» Zuweilen entzieht sie sich der Kamera. Sie lacht, die Vertrautheit zwischen Filmemacher und Künstlerin wird greifbar. Auch so ist er, der Eigensinn der Sophie Hunger.

Selbstsicher und erfrischend unvorhersehbar

In ihren Anfängen galt sie vor allem bei der Presse als widerspenstig und abweisend. Man schrieb es ihrer Jugend zu, und hielt sie für unsicher, aber besonders authentisch. Jetzt ist sie 30 und singt: «30 ist das neue 20.» Selbstsicher wirkt sie, nicht mehr so abweisend. Authentisch wirkt sie immer noch. Und erfrischend unvorhersehbar. Manchmal gibt sie sich nachdenklich, dann voller Witz und Übermut. So hüpft sie, trotz Stöckelschuhen wie Pippi Langstrumpf durch die Gänge hinter der Bühne.

Sie umarmt jeden einzelnen Musiker vor dem Auftritt. Dann schlägt sie plötzlich zu. Mit der Faust oder, wie eine Kickboxerin, mit dem Fuss – immer ohne zu treffen. Schattenboxen ist das Einstimmungs-Ritual, das die Gruppe gemeinsam zelebriert. Einer schlägt zu, der andere weicht aus. Koordination ist unabdingbar. Die Musiker betreten die Bühne zuerst. Sophie Hunger bleibt zurück, schüttelt ihre Hände aus. So, als wollte sie die letzte Befangenheit loswerden. Um ganz frei zu sein für die Musik. Dann ist sie bereit.

Hungers Texte tragen Frage-, keine Ausrufezeichen

Sophie Hunger trägt eine weisse Rüschenbluse. Gerade kommt sie vom Soundcheck und ist bereit für die Backstage-Begegnung mit ihrer ehemaligen Englischlehrerin. «Ich höre, dass du eine richtige Künstlerin geworden bist», sagt die distinguierte Lady zu Sophie. «Ja, manche nennen es so …», antwortet diese. Sie stellt lieber Fragen als Antworten zu liefern. Wie ihre Texte, die oft den Schluss offen lassen.

Hungers Botschaften tragen Fragezeichen, keine Ausrufezeichen. So zum Beispiel in dem berndeutschen Lied über die amerikanische Freiheitsstatue, das sie mit ihrer Band mehrstimmig a cappella singt. Es ist eine Hommage an die Symbolfigur der Freiheit, der innere Monolog eines Monuments.

Unklar bleibt, wen die Versteinerte anspricht. Vielleicht fühlen sich gerade deshalb so viele von ihr angesprochen. Es sind die Texte. Es ist ihre Stimme. Es ist ihr Charisma. In seinen magischen Momenten zeigt der Film, wie die Künstlerin damit Grenzen überwindet und ihr Publikum rührt.

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