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Eine Frau hat ein Tambourin in der Hand.
Legende: Lizz Wright bezaubert mit ihrer Stimme. Imago / VIADATA

Starke Stimme «Die Mikrofone der Egoisten sind momentan sehr laut eingestellt»

Lizz Wrights Musik ist ein Schmelztiegel vieler Genres. Dieser Flickenteppich ist Sinnbild für die amerikanische Kultur.

SRF: Wenn man die Liste der Songs anschaut, die Sie aufgenommen haben, so fällt eine ungeheure Breite auf. Das reicht von Rock-Songs über Jazz- und Gospel-Standards bis zu Musical-Material. Wie wählen Sie Ihre Stücke aus?

Lizz Wright: Nun, ich mag den Flickenteppich, der die US-amerikanische Gesellschaft ausmacht. All diese verschiedenen Einflüsse, die hier in die verschiedenen Musikstile der USA mündeten.

Wir teilen das auch viel zu fest ein in den USA: wo hört der Blues auf und wo beginnt der Jazz? Meistens sind das verschiedene Ströme, die zusammenfliessen. Ich möchte, dass sich diese Vielfalt auch auf den Alben zeigt.

Ich bin Tochter eines Pfarrers und da lernt man schnell, was Sprache ausmacht, was Wörter für eine Macht haben.

Ist der Inhalt, die Message ein wichtiger Punkt?

Zur Person

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Lizz Wright wuchs in der Ortschaft Hahira im Bundesstaat Georgia auf. Wie so viele schwarze SängerInnen aus den USA machte sie erste musikalische Gehversuche in der Kirche, in der ihr Vater predigte. Ihre Musik ist geprägt von ihrer bestechend eleganten Stimme und ihrer Fähigkeit, Songs aus sehr unterschiedlichen Stilen passend zu interpretieren.

Ich bin Tochter eines Pfarrers und da lernt man schnell, was Sprache ausmacht, was Wörter für eine Macht haben.

Das ist der eine Teil. Der andere ist, dass ich meine Alben thematisch organisieren möchte: ich suche mir ein Thema und baue Songs darum herum, fast wie wenn man einen Essay schreiben würde.

Dass ist vielleicht kommerziell nicht immer geschickt, Leute fragen mich immer wieder, wie passen denn diese verschiedenen Dinge zusammen? Mir scheint das zwar offensichtlich, aber ich muss das in Zukunft wohl besser zu erklären versuchen.

Im September soll Ihr neues Album erscheinen. Können Sie etwas zu dessen Message erzählen?

Angesichts der jüngsten Ereignisse in den Vereinigten Staaten hatte ich das Gefühl, ich müsse meinen Teil zu dieser Erzählung beitragen.

Ich will einen liebevollen Spiegel vorhalten, nicht nur, was unsere Beziehungen untereinander im Land angeht, sondern auch unsere Beziehung zur Erde selbst, auf der wir leben.

Daraus wird ein bunter Flickenteppich, meine Vorstellung davon, wie die USA sind oder sein sollten.

Ich weiss, die Mikrofone der unzufriedenen und egoistischen Menschen, die Hass und Trennung predigen, sind im Moment sehr laut eingestellt.

Nach der Wahl des Präsidenten habe ich meinen Mut zusammengenommen und bin in den Süden gereist – zu einer denkbar ungünstigen Zeit, könnte man meinen. Alles schien so entflammbar, so aufgeregt.

Ich wollte selbst hören, wie die Leute dort denken. Und ich habe so viel Grosszügigkeit und Ruhe erfahren, auch von Menschen, die ich vorher nicht kannte, dass ich trotz allem viel Hoffnung habe.

Aber, wir sprechen hier nicht von Protestsongs?

Nein, wir sprechen von Liedern über all die Dinge, die wir trotz allem nie vergessen sollten. Unsere Grosszügigkeit, unseren grossen Geist. All das habe ich während meiner Reise in den Süden gefunden.

Die USA sind ein Körper, der sich im Moment zu heilen sucht.

Noch wichtiger war dies: ich habe meine Mutter in den Bergen von Georgia besucht. Die Nachbarn haben mich zu sich zum Weihnachtsessen eingeladen und das hat mich ehrlich gesagt sehr nervös gemacht – als farbige Frau bei einer weissen, armen Familie.

Aber ich habe dann gemerkt, dass das nur ich war – ich fühlte mich unwohl und unsicher. Ihnen war meine Hautfarbe egal, sie waren nur einfach sehr stolz, mich in ihrer Mitte zu haben.

Dieses Abendessen hat alles für mich verändert. Diese Familie hat für mich die Dinge gerade gerückt – und sie wissen nicht mal, was sie für mich damit getan haben. Von diesem Moment an lasse ich mich durch den ganzen Lärm über unseren Köpfen nicht mehr erschrecken.

Sie sprechen von Hoffnung trotz des angesprochenen Lärms?

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Ich weiss, die Mikrofone der unzufriedenen und egoistischen Menschen, die Hass und Trennung predigen, sind im Moment sehr laut eingestellt. Gleichzeitig geschieht etwas Wunderbares.

Die Mehrheit der Menschen in den USA ist dieser Gedankenwelt weit voraus. Wir sind weit offener, als es diese Leute herumschreien.

Die USA sind ein Körper, der sich im Moment zu heilen sucht. Die Menschen finden Wege, wie man miteinander redet, wie man sich zuhört, damit wir herausfinden, wie wir dieses Land regieren wollen – und diese Kraft kann man nicht aufhalten. Ich denke, wir sind momentan auf einem politisch wenig nachhaltigen Weg, also muss man anders denken.

Das Gespräch führte Eric Facon.

Sendung: Musik Vorabend SRF 2 Kultur, 16.2.17, 16.00 Uhr

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