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Stephan Eicher Er versteht die Welt nicht – und erklärt sie doch so wunderbar

Stephan Eicher wird an den Swiss Music Awards für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Was macht den Melancholiker aus Münchenbuchsee so besonders?

Vor 40 Jahren startete Stephan Eicher seine Karriere, dieser sentimentale Solitär des Schweizer Pop. Aber halt, da hat jemand falsch gezählt. Streng genommen seien es noch ein paar Jahre mehr.

Das erzählte Eicher im vollen Saal des KKL Luzern am Vorabend der Verleihung des Swiss Music Awards vor einem mehrheitlich ergrauten Publikum und verwies auf seine ersten musikalischen Gehversuche im Schulalter.

Richtig los ging es aber erst mit Grauzone: Die Band schuf vor 40 Jahren mit «Eisbär» den elektronischen Soundtrack der 1980er-Bewegung. Die Hymne einer zornigen Jugend, die sich im «kalten Polar» wähnte und gegen eine spiessige Gesellschaft aufbegehrte.

Verführer einer Generation

Es ist viel Zeit vergangen, seit der wütende Bub in Münchenbuchsee mit dem Musizieren begann. Die Schweiz ist nicht wiederzuerkennen, ist bunter und offener geworden.

Eicher hat nicht nur seine Fans auf den Berggipfel geführt, um von da aus in die Welt zu blicken. Er wurde zum Chansonnier. Zum Pophelden, der mit seiner charismatisch-säuselnden Stimme ganze Generation verführte.

Nicht nur in der Schweiz. Seine Coverversion von «Hemmige», dem Mundartstück von Mani Matter, schlug auch in Frankreich ein.

Faszinierende Vielseitigkeit

So sehr er seinem Sound gefunden hat: Stephan Eicher steht natürlich für 40 Jahre Entwicklung. Er hat Mani Matter interpretiert, das Volkslied «Simmelibärg» neu erfunden, mit den Autoren Philippe Dijan und Martin Suter zusammen gearbeitet, mit Herbert Grönemeyer oder Goran Bregovic gearbeitet.

Er klang mal elektronischer, mal rockiger, mal mehr nach Rap oder Balkan. Die letzten Jahre in Eichers Karriere waren geprägt von juristischen Streitigkeiten mit dem Label Universal.

40 Jahre, ein Spektakel

Die Geschichte von Stephan Eicher ist abendfüllend und das war auch die Bühnenshow, mit der Eicher und seine Freunde die letzten 40 Jahre Revue passieren liessen.

Popsängerin Sophie Hunger sang herzzerreissend schön, die Trommelkombo Traktorkestar machte Dampf, Tinu Heiniger, der Berner Mundartmusiker, gab sein «Lied vo de Bärge» zum Besten. Martin Suter las aus dem gemeinsam «Song Book» vor. Und resümierte über Eicher und sich selbst: Wir beide verstehen die Welt nicht.

Magische Momente

Aber wenn uns Stephan Eicher ein bisschen die Welt erklärt, dieser zarte Kämpfer für magische Momente, dann macht das Sinn. Bei Eicher paaren sich Süffigkeit mit Experimentierwillen, Fernweh mit distinguierter Heimeligkeit.

Und eins durfte jedenfalls nicht erstaunen: Dass ihm der Preis, der ihm an den Swiss Music Awards verliehen wird, ein wenig peinlich ist. Ihn stört, dass Musik wie eine Sportart funktionieren soll, wie ein kommerzieller Wettbewerb, weil der Outstanding Achievement Award von der Plattenindustrie finanziert wird.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 28.02.2020, 17:20 Uhr

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