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Musik in der Coronakrise – Gespräch mit Melanie Wald-Fuhrmann
Aus Kultur-Aktualität vom 26.07.2021. Bild: IMAGO IMAGES / Cavan Images
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Studie zu Musik in der Krise Wie Musik uns durch den Lockdown brachte

Musik hat vielen von uns geholfen, den Lockdown ohne psychischen Schaden zu bewältigen. Das zeigt eine internationale Studie, die diesen Montag veröffentlicht wurde. Über 5000 Personen aus Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Italien und den USA beantworteten in der Online-Studie Fragen zu ihrem Umgang mit Musik während der Krise.

Musikwissenschaftlerin Melanie Wald-Fuhrmann hat an der Studie mitgearbeitet und weiss: Musik war in dieser schwierigen Zeit eine grosse Hilfe.

Melanie Wald-Fuhrmann

Melanie Wald-Fuhrmann

Musikwissenschaftlerin

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Melanie Wald-Fuhrmann ist Direktorin der Abteilung Musik des Max-Planck-Institut für empirische Ästethik. Das Institut war an der Studie zum Thema Musik während des Corona-Lockdowns beteiligt.

SRF: Über 50 Prozent der Befragten haben angegeben, dass Musik ihnen geholfen habe, die Strapazen des Lockdowns und der Corona-Krise zu überstehen. War dieses Resultat erwartbar?

Melanie Wald-Fuhrmann: Das finde ich nicht. Dass in einer so schweren Krise wie der Corona-Pandemie und den sehr schwierigen Lebensverhältnissen für viele Menschen im Lockdown etwas so Einfaches wie Umgang mit Musik als eine Hilfe und Erleichterung dient – das fand ich schon erstaunlich.

Wie genau wurde Musik in der Krise genutzt?

Diejenigen mit stärkeren negativen Emotionen in der Krise machen Musik eher, um mit ihren negativen Emotionen besser klarzukommen.

Hingegen machen diejenigen, die im Lockdown positive Emotionen hatten, Musik eher, um einen Ersatz für den weggefallenen menschlichen Austausch zu haben. Sie finden in Musik so etwas wie ein soziales Gegenüber, indem sie zuhause oder virtuell mit anderen gemeinsam Musik machen.

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aus Kultur-Aktualität vom 07.07.2021. Bild: Jenny Berg
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Gibt es kulturelle Unterschiede? Reagierte beispielsweise die indische Bevölkerung anders als die Italienische?

Wir haben keine starken Länderunterschiede gefunden. Das hat uns durchaus überrascht. Es gab einige Unterschiede in Bezug auf Medien und Formate, in denen man Musik hört. Manche Länder sind halt Internet-affiner als andere.

In Indien gab es einen interessanten Unterschied: Dass die spirituellen Funktionen des Musikhörens eine deutlich höhere Rolle spielte als in den westlichen Ländern.

Die Studie beleuchtet ein neues Genre, sie nennen das Corona-Musik. Was ist das?

Alle werden sich sicherlich noch and das Balkon-Singen erinnern, das von Italien ausging. Das ist eine neue Musizierweise, die es vorher im Grunde nicht gab.

Dann gibt es im Internet eine ganze Reihe von neuen Corona-Songs - das sind Songs, die vor allem Popmusikerinnen und -Musiker neu schreiben. Oder es gibt Bearbeitungen älterer Lieder mit neuem Text, der auf die Corona-Situation Bezug nimmt.

Musikerinnen und Musiker leisten einen wichtigen Beitrag für die gesellschaftliche Bewältigung der Krise.
Autor: Melanie Wald-Fuhrmann

Weshalb spielt diese Corona-Musik eine grosse Rolle?

Ob jemand Musik als Hilfe im Lockdown empfindet, hängt stark mit dem Interesse an dieser Corona-Musik zusammen. Dieses Ergebnis sollte in die gesellschaftlichen und politischen Diskussionen um die Rolle von Kulturschaffenden, von Musikerinnen und Musikern in einer grossen gesellschaftlichen Krise eingespielt werden.

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Wie würde das Ihrer Meinung nach konkret aussehen?

Kulturschaffende konnten ja alle nicht auftreten und haben kein Geld verdient. Statt ihnen aber nur Almosen zu geben, könnte man eigentlich sagen: Wenn ihr in eurem Schaffen auf diese Krise Bezug nehmt, leistet ihr einen wahnsinnig wichtigen Beitrag für die gesellschaftliche Bewältigung der Krise. Und dann sollte man eigentlich staatliche Aufträge geben.

Das Gespräch führte Noëmi Gradwohl.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 26.7.2021, 7:06 Uhr;

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