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UK Drill Music Gibt in London aggressive Musik den Takt an?

London wird seit einigen Monaten von einer Welle der Gewalt erschüttert. Allein in diesem Jahr sind in der britischen Hauptstadt 56 Menschen ermordet worden. Die Taten werden meist nicht im Zentrum verübt, sondern vor allem in ärmeren Vororten, die meisten Opfer sind jung.

Beobachter vermuten, für die Eskalation der Gewalt sei eine bestimmte Form von Musik mitverantwortlich: der UK Drill. Hanspeter Künzler, Schweizer Musikjournalist in London, spricht über den Sound einer Stadt, die gerade ein gewaltiges Problem hat.

SRF: Die meisten Leute haben wahrscheinlich noch nie von Drill Music gehört. Was ist das?

Hanspeter Künzler: Drill Music ist eine obskure Untergattung von Rap Music. Die Stimmung ist klaustrophobisch. Der Sound ist schwer – zumeist aus dick aufgetragen Synthesizern. Die Texte sind sehr direkt und sehr brutal. Ein typisches UK Drill-Stück ist «Panic» von einer Band namens Moscow 17 .

Auch diese Videoclips sind sehr düster. Die Band-Mitglieder sind wie Gangster mit Masken gekleidet. Man gibt sich als eine verschworene Gemeinschaft – alle gegen uns und wir gegen alle.

Das klingt jetzt sehr nach Gang-Mentalität.

Historisch gesehen waren diese Gang-Lyrics immer Teil des Rap. Was die Situation in London momentan aber schwieriger macht, ist die Tatsache, dass in letzter Zeit eine grosse Zunahme der Gewalt festgestellt wurde.

Hanspeter Künzler

Musikjournalist

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Schweizer Journalist in London. Er schreibt über Musik, Kunst und Fussball – zum Beispiel für die Neue Zürcher Zeitung, NZZamSonntag, Nordwestschweiz, St. Galler Tagblatt, loop und Surprise.

In diesem Jahr gab es schon 56 Morde. Die Trauma-Abteilung eines Spitals in Ost-London hat gemeldet, im ersten Viertel dieses Jahres seien dreimal mehr Schussverletzungen behandelt worden als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres.

Die meisten Opfer sind zwischen 16 und 29 Jahren alt, haben afro-karibische Wurzeln. Das ist ziemlich genau das Publikum von UK Drill Music und Hip-Hop im Allgemeinen.

In früheren Rap-Generationen gab es Lyrics, die die Leute zum Frieden aufriefen.

Viele Drill-Rapper sagen zwar, sie befürworteten keine Gewalt. Man muss sich aber fragen, ob es genug ist, einfach zu beschreiben, was passiert.

In früheren Rap-Generationen gab es Lyrics, die die Leute zum Frieden aufriefen. Man hat sie gebeten, endlich Vernunft anzunehmen. Das ist bei diesen Drill-Rappern überhaupt nicht der Fall.

Aber kann man wirklich sagen, dieser Gewaltausbruch in London habe tatsächlich mit Drill Music zu tun?

Das ist eine komplexe Frage. Es ist ein bisschen wie mit dem Huhn und dem Ei: Was war zuerst? Der gewalttätige Alltag oder die Musik, die Gewalttätigkeit romantisiert?

Die Gewaltbereitschaft hängt auch mit dem zusammen, was in der Politik in England geschieht.

Inwiefern?

Die Sparpolitik hat in Gegenden wie Tottenham, Newham und Brixton besonders üble Folgen. Gemeinschaftszentren werden geschlossen, die Rechtshilfe wird reduziert. In den Schulen werden gerade die kreativen Fächer gekürzt, aus denen frühere Generationen noch Hoffnung geschöpft haben.

Die Frage, ob die Gewalt durch die Drill Music kommt oder nicht, ist also schwer zu beantworten. Tatsache ist aber, die Gewalt ist da. Wie will die britische Politik damit umgehen?

Die Londoner Polizei hat reagiert. Sie hat eine 120-köpfige Task-Force eingerichtet, die sich ganz auf Gewalt unter Jugendlichen konzentriert.

London steht vor einem Riesenproblem, an dem sich britische Polizei und Politik derzeit noch die Zähne ausbeissen.

Wie komplex das Problem aber ist, zeigt eine Umfrage, die die BBC letzte Woche durchgeführt hat. Eine Frage war, was es brauche, um die Jugendlichen von der Gewalt abzubringen. Ein früherer Gangster, der jetzt Sozialarbeiter ist, sagte, es brauche mehr Gemeinschaftszentren, in denen die Jugendlichen sinnvoll beschäftigt werden können.

Der Vater eines Mordopfers aber meinte, genau diese Zentren müssten abgeschafft werden. Denn jedes habe seine eigene Gang und das bringe Gewalt mit sich.

London steht vor einem Riesenproblem, an dem sich britische Polizei und Politik derzeit noch die Zähne ausbeissen.

Das Gespräch führte Katharina Mutz.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 11.4.2018, 07:20 Uhr.

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