- Ryan Speedo Green stammt aus ärmlichen Verhältnissen und hatte als Kind kein Interesse an klassischer Musik.
- Dem Schulchor trat er bei, um Punkte fürs Zeugnis zu sammeln – da begann er, sich für Opern zu begeistern.
- Heute singt Green im Ensemble der Wiener Staatsoper und widerlegt das Vorurteil , dass die Oper nur von Weissen für Weisse ist.
Als 12-Jähriger sass Ryan Speedo Green im Jugendgefängnis. Heute begeistert der US-Amerikaner als Bassbariton das internationale Opernpublikum. Dabei hat sein Kampf gegen Stereotype im Universum der klassischen Musik gerade erst begonnen.
«Fette, weisse Wikinger-Lady»
Bis zu seinem 14. Lebensjahr dachte Ryan Speedo Green, Opern seien nur etwas für Weisse. Das Publikum: weiss. Auf der Bühne: «eine fette, weisse Wikinger-Lady, die Fenster zertrümmert».
Dieser Eindruck änderte sich, als er während eines von Wohltätern gesponserten Schulausflugs nach New York zum ersten Mal «Carmen» in der Metropolitan Opera sah.
Die Hauptrolle sang die afroamerikanische Mezzosopranistin Denyce Graves: «Es war meine erste Oper überhaupt. Die Musik überwältigte mich, und dass da eine Person auf der Bühne stand, die so aussah wie ich, verschlug mir den Atem.»
Green verschlägt anderen den Atem
Heute steht der 31-jährige Bassbariton selber auf den grössten Bühnen der Welt und verschlägt Kritikern wie dem der «New York Times den Atem.» Dieser beschrieb Green neulich als schiere «Wucht» in der Rolle des armen Philosophen Colline in Giacomo Puccinis «La Bohème» an der Metropolitan Opera.
Das Leben von Ryan Speedo Green ist der Stoff, aus dem Wohlfühl-Bestseller gemacht sind. Den Bestseller hat der Journalist Daniel Bergner geschrieben. Der Wohlfühlfaktor jedoch fehlt in seiner Biografie von Green «Sing for Your Life».
Singen aus Faulheit
Green verbringt seine Kindheit in einer Wohnwagensiedlung für Sozialhilfeempfänger in einem Südstaatenkaff. Mit 12 kommt er in Jugend- und Einzelhaft, weil er Mutter und Bruder mit einem Messer bedroht hat.
Er besucht eine Sonderklasse für Schwererziehbare. Sein Football-Trainer rät ihm, sich beim Schulchor zu melden. Da liessen sich leicht Punkte fürs Zeugnis sammeln.
Mit ein bisschen Anstrengung
An klassischer Musik zeigt Green weder Interesse noch Talent, bis es ihn an jenem Abend in der «Carmen» packt. Er beginnt sich anzustrengen, gewinnt einige Gesangswettbewerbe.
2011 gewinnt er mit den National Council Auditions den prestigeträchtigsten aller Gesangswettbewerbe. Der Sieg sichert ihm eine erstklassige Ausbildung und regelmässige Auftritte an der Metropolitan Opera.
Wider hartnäckige Stereotype
Heute ist Green Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und tourt um den Globus. Auf seinem Weg von ganz unten nach ganz oben hat Ryan Speedo Green Stereotype in Grund und Boden gesungen.
Sein Beispiel widerlegt das in der Opernwelt hartnäckige Vorurteil, dass die Stimmen von Afroamerikanern zu kehlig, zu rau und bestenfalls für Gospel geeignet sind. Dass ein fast zwei Meter grosser, 150 Kilogramm schwerer Schwarzer ein Legato nicht so gut hinkriegt und Sprachen nicht so schnell lernt wie andere Sänger.
Diversität tut Not
Wer Greens Russisch in Modest Mussorgskis «Boris Godunow» hört und sein gezogenes Vibrato in Strauss’ «Daphne», wird von solchen Irrtümern geheilt. Diversität auf der Bühne tut Not, Diversität in den Zuschauerrängen ebenso.
Ryan Speedo Green verfügt über einen umfangreichen Katalog von Vorschlägen, wie sich das in den USA erreichen liesse: Musikschulen statt Schnapsläden in einkommensschwachen Gegenden. Eine gerechtere Verteilung der Bildungsgelder und Musikunterricht an allen öffentlichen Schulen.
Zu gern würde Green sich darüber mit dem neuen Präsidenten seines Landes unterhalten. Noch steht die Einladung aus dem Weissen Haus allerdings aus. Was er Mr. Trump bei der Gelegenheit vorsingen würde? Ryan Speedo Green lacht: «Das werde ich mir überlegen, wenn es soweit ist.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 8.2.2016, 9 Uhr