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Verlust für die Klassik Stardirigent Bernard Haitink ist verstorben

65 Jahre dauerte Bernard Haitinks Bühnenkarriere: Amsterdam, Dresden, London, Chicago waren seine wichtigsten Stationen – und immer wieder Luzern. Hier hat er vor zwei Jahren sein allerletztes Konzert dirigiert. Nun ist der Dirigent gestern Donnerstag verstorben, wie sein Management bekannt gab.

«Man muss das Orchester umarmen», sagte Bernard Haitink einmal. Und genau das konnte er, der holländische Dirigent. Er war nie einer, der den Taktstock herrisch führte – das brauchte er gar nicht. Sein Charisma genügte.

Und da war diese Gelassenheit, die er im Kontakt mit dem Orchester an den Tag legte. Mit grosser Selbstverständlichkeit zeigte er den Musikern und Musikerinnen, was er wollte. Gemeinsames Atmen und Phrasieren, einfach Musizieren, das zeichnete seine Konzerte bis zum Schluss aus.

Intensive Verbindung zum Lucerne Festival

Die Karriere des Niederländers Bernard Haitink begann in Amsterdam, wo er sehr jung den Chefposten beim legendären Concertgebouw-Orchester übernahm – 30 Jahre blieb er diesem Klangkörper treu.

Er war dann in London und Dresden Chef und dirigierte die weltweit wichtigsten Spitzenorchester. Mit dem Lucerne Festival hat Haitink eine lange, intensive Verbindung, unter anderem spielte er exklusiv für das Festival Beethoven- und Brahms-Zyklen ein und verlegte seinen Wohnsitz an den Vierwaldstättersee. 

Ein älterer Herr sitzt an einem Schreibtisch.
Legende: Verbundenheit mit der Schweiz: Bernard Haitink im Landhaus Utohorn in Kastanienbaum am Vierwaldstättersee (2004). Keystone / SIGI TISCHLER

Grosse Demut vor Bach

 Bis zum Schluss blieb Bernard Haitink bescheiden – fast zu bescheiden: um manche Komponisten machte er einen Bogen, aus Demut, zum Beispiel um Bach: Dieser Komponist sei zu gross für ihn, er fühle sich unsicher mit ihm, nur privat würde er Partituren von Bachs Musik studieren.

Die Komponisten, mit denen Bernard Haitink sich wohl fühlte und die er gerne und oft dirigierte, waren Beethoven, Brahms, Bruckner, Mahler, Wagner und Schostakowitsch.

Von warmer Klarheit

Sein Markenzeichen war die Klarheit, mit der er die Struktur einer Sinfonie offenlegte, ohne sie kühl zu durchleuchten wie ein Pierre Boulez oder mystisch zu überhöhen wie ein Claudio Abbado. Seine Sicht auf Werke war selten radikal. Auch keinen üppig, berauschenden Klang à la Karajan suchte er, sondern – eben – warme Klarheit, so könnte man Haitinks Interpretationen beschreiben. 

Mit 90 hat er die Bühne verlassen. Sein Abschlusskonzert im KKL in Luzern mit Bruckners 7. Sinfonie und den Wiener Philharmonikern war grandios, berührend, unvergesslich. Er liess das Orchester strahlen, die Musik fliessen, das Blech krachen und das Publikum weinen.

Nun ist der Dirigent gestern Donnerstag im Kreise seiner Familie in London verstorben, wie sein Management bekannt gab. Bernard Haitink hinterlässt eine grosse Lücke im Klassikbetrieb.

Sendungshinweis: «Bernard Haitink – der geheimnisvolle Maestro»

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Bernard Haitink war einer der beliebtesten Dirigenten, gerade auch in der Schweiz, wo er regelmässig auftrat und jahrelang lebte. Der Dokumentarfilm begleitet ihn bei seinen letzten Konzerten und ist das Porträt eines schüchternen, sehr empathischen und vor allem hoch musikalischen Menschen.

Radio SRF 2 Kultur, Nachrichten, 22.10.2021, 8:50 Uhr

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