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Viva la Diva Im Central Park mit Komponistin Maria Schneider

Maria Schneider ist mittlerweile das Mass der Dinge wenn es um grossorchestralen Jazz geht. Als Komponistin lebt sie in New York – für sie aber kein Hindernis, ihre Liebe zur Natur und besonders der Vogelwelt auszuleben. Die Metropole ist ein guter Ort für Vogelfreunde und sogenannte «Birdwatchers».

Wenn man Maria Schneiders Kompositionen anhört – «Waxwing» (Seidenschwanz), «Cerulean Skies», das mit Vogelgeräuschen beginnt, oder «The Arbiters of Evolution», ein Stück über die Paradiesvögel Neu Guineas – dann wird klar, dass Vögel für sie besondere Geschöpfe sind. Wobei: Stücktitel, die auf Vögel Bezug nehmen, gibt es im Jazz haufenweise, das fängt an mit «Ornithology», geht über «Skylark», «Baltimore Oriole» und «Blackbird», bis zu den «Crows». Einer der bedeutendsten Jazzmusiker, Charlie Parker, trug ja bekanntlich den Spitznamen «Bird».

Ein Porträt von Maria Schneider.
Legende: Die US-amerikanische Arrangeurin Maria Schneider wurde 1960 geboren und kam 1985 nach New York City. Creative Commons

Maria Schneider kennt sich mit Jazz und Vögeln aus. An diesem Morgen im Mai, als ich sie in ihrer Wohnung in der 72. Strasse besuche, empfängt sie mich ganz begeistert: «I was birding this morning!», sagt sie. Bis zum Central Park sind es von ihrer Wohnung aus kaum fünf Minuten.

Birdwatching und mitleidige Blicke

«Meine allerliebste Musik, das ist ein Chor von Vogelstimmen!», sagt Maria Schneider und verrät mir ihre Lieblingsvögel: Der «Blackburnian Warbler» und der «Hermit Thrush». Der Hermit Thrush heisst im Deutschen Einsiedlerdrossel, für den «Blackburnian Warbler» aber gibt es keine Übersetzung – die amerikanische Vogelwelt ist eine völlig andere als die europäische.

Viva la Diva

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Früher waren Diven wie Maria Callas und Marilyn Monroe umweht von einem Hauch von Tragik. Diven heute verzaubern auch ihr Publikum und sorgen für grosse Gefühle. Aber sie haben Kinder, lachen gerne und tragen auch mal Lederhosen. SRF Kultur zeigt die vielen Facetten der Diva von heute: Viva la Diva.

Maria Schneider schlägt mir vor, am Nachmittag zusammen in den Central Park zu gehen. Denn der Monat Mai ist die beste Zeit für Birdwatching. Viele Vogelarten machen auf ihrer Durchreise nach Kanada und Alaska im Central Park Halt, um sich für die lange Reise zu stärken. So ist der Park voll von Arten, die man sonst kaum sieht.

Wir gehen zu dritt, Virginia, eine Freundin von Maria ist mit dabei, sie ist Biologin und kennt jeden noch so seltenen Vogel. Ich hingegen erblicke gerade mal einen, dessen Namen ich weiss, den Star. Als ich meine Entdeckung triumphierend mitteile, ernte ich mitleidige Blicke: Der Starling ist unbeliebt, er ist ein unwillkommener Einwanderer, der den einheimischen Arten Platz und Futter streitig macht.

In einem Bücherregal stehen zwischen den Büchern fünf Grammies, Musikpreise.
Legende: Mehrfache Grammy-Preisträgerin Maria Schneider gilt als eine der originellsten Komponistinnen und Arrangeurinnen des zeitgenössischen Jazz. SRF/Beat Blaser

Alle wollen den Kanadier sehen

Wir gehen in einen Teil des Parks, der «Strawberry Fields» heisst, und John Lennon gewidmet ist. Er wurde vor einem der Appartementhäuser am Rand des Parks ermordet. Im dichten Stück Wald von «Strawberry Fields» hat es am meisten Vögel. Und am meisten Birdwatcher! Zu Dutzenden sind Leute mit dem Feldstecher unterwegs, auf der Suche nach einer besonders seltenen Spezies. Plötzlich ruft jemand: «A Canadian!»

Der Canadian Warbler ist ein unscheinbares Vögelein, ähnlich unserer Blaumeise, mit einem gelben Bauch. Die Birdwatcher-Schar ist völlig elektrisiert. «Where is it?», alle richten ihren Feldstecher auf einen Baum, in dessen Geäst sich dieser Kanadier versteckt. Mitten drin Maria und Virginia, gleich enthusiasmiert wie alle anderen. Mein Nachbar merkt, dass ich nicht mit gleicher Emphase dabei bin und fragt mich, woher ich komme und weshalb ich da sei. Ich sage, ich sei mit einer Bekannten hier. «Are you with Maria? I am a huge fan of hers!» Maria Schneider ist also offensichtlich im Central Park nicht nur als Birdwatcher bekannt, sondern auch als Musikerin.

Ich für meinen Teil habe im Centralpark ein paar amerikanische Vögel kennen gelernt, den Robin etwa, den ich bisher nur von einem Jazz-Standard kannte, «Robin’s Nest» von Sir Charles Thompson. Und ich habe mich für meinen Lieblingsvogel entschieden. Es ist der Cardinal, ein leuchtend roter Vogel, der auch im dichten Blätterwerk kaum zu übersehen ist. Ein Vogel für Anfänger halt – denn Maria und Virginia würde für ihn kaum aufschauen, und schon gar nicht den Feldstecher auspacken!

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