Andreas Schaerers Kunst kriegt man nicht zu fassen mit der Bezeichnung «Jazzgesang», dazu ist sie zu breit gefächert. Natürlich hat der Berner das Zeug zum Jazz-Sänger, er überrascht aber auch immer wieder mit dem Einsatz seiner klassisch geschulten Stimme, sei es im weichen Falsett oder in kernigen Tenorlagen. Imitationen von Posaune, Trompete oder Bass blitzen auf in seiner Performance.
Bravourös macht Andreas Schaerer auch den Beatboxer: schlüpft ins Klangkleid des Schlagzeugs. Und nicht zuletzt ist er ein Meister darin, Geschichten zu erzählen in einer frei erfundenen Phantasiesprache. Geschichten in Kauderwelsch, die in ihrer universalen Einfachheit urkomisch wirken – für Chinesen gleichermassen wie für Russen, Franzosen oder Schweizer.
Müheloser Freiflug zwischen scheinbaren Gegensätzen
Ungeheuer umfassend ist also das Repertoire von Andreas Schaerer – und der Stimmkünstler wechselt oft ganz unvermittelt zwischen den Genres. Scheinbar unvereinbare Gegensätze bringt Schaerer so miteinander in Kontakt: ganz selbstverständlich und in fliegender Leichtigkeit. Diese Fähigkeit könnte man als Essenz dieses vielseitigen Musikers beschreiben. Sie spiegelt sich in seinen aktuellen Projekten. Und zeigt sich in der schieren Menge seiner unterschiedlichen Engagements.
Allein in den vier Monaten bis Ende 2014 kann man Andreas Schaerer rund 40 Mal auf der Bühne erleben in ganz Europa, und das in sechs verschiedenen Formationen: Rhythmusverliebt etwa im Duo mit dem Schlagzeuger Lucas Niggli. Szenisch virtuos mit seinem Jazz-Sextett «Hildegard Lernt Fliegen». Von der klassischen Musik inspiriert gemeinsam mit dem ARTE Saxofon-Quartett oder dem Zürcher Kammerorchester. 40 Konzerte mit 6 Formationen: Immer wieder kommt es in den nächsten 4 Monaten vor, dass Schaerer innert 3 Tagen wechseln muss zwischen 3 Bands, 3 Ländern, 3 Stilrichtungen.
Andreas Schaerer (auf YouTube) ...
Ein anstrengender Tourplan erwartet also diesen Künstler, der auf der Bühne mit geballter Kraft und konzentriertem Fokus scheinbar alles hergibt, was er zu geben hat. Dabei bleibt die Energiebilanz trotz aller Belastungen offenbar positiv. Das liegt wohl in erster Linie an der Art, wie Schaerer die Musik erlebt und widergibt: unvoreingenommen, offen und inspiriert vom Augenblick.
Ein leidenschaftlich getriebener Musiker
«Perpetual Delirium»: so heisst eine Suite, die Andreas Schaerer für das ARTE Saxofon-Quartett komponiert hat. In «konstantem Fieberwahn»: Lässt sich so auch der Alltag dieses getriebenen, brillanten Musikers beschreiben? Wenn man Andreas Schaerer auf der Bühne erlebt, wenn man seinen ungeheuren Output studiert, müsste man bejahen.
Trifft man Andreas Schaerer allerdings nach seinen Konzerten an der Bar oder lernt man ihn kennen als Dozent an der Hochschule der Künste in Bern, da erlebt man eine andere Seite von ihm, eher ruhig wirkt er da und in sich gekehrt. Das Geheimnis des gesunden Erfolgs: Es liegt wohl in der austarierten Balance dieser beiden Pole.