Ja das gibt’s: Träume werden wahr. Nicht für alle, aber garantiert für Stefan Dohr. Der langjährige Solohornist bei den Berliner Philharmonikern darf am Lucerne Festival ein Konzert von Wolfgang Rihm uraufführen. Dabei hatte er vor einiger Zeit nur schüchtern beim Luzerner Intendanten Michael Haefliger erwähnt, er würde sehr gern einmal etwas Neues von Rihm spielen. Haefliger fand ganz unkompliziert: Ja, mal schauen, was sich da machen lässt.
Romantische Sehnsucht und Herzschmerz
Es liess sich was machen. «Hornkonzert» heisst das brandneue Stück schlicht, «für Stefan Dohr» steht vorn in der Partitur. Der ist glücklich und Probenbesucher erzählen von einem richtig schönen Stück.
Doch was bitte heisst «schön» in der zeitgenössischen Musik, die ja nach wie vor unsere Ohren auf die Probe stellt – was übrigens so richtig ist? Schön heisst in diesem Fall gesanglich. Gesanglich wie das Horn in der romantischen Musik, zum Beispiel bei Brahms, Bruckner oder Mahler. Da spielt es oft wunderbar sehnsüchtige Melodien, die wie von ferne zu uns herüberklingen und direkt ins Herz zielen.
Diese Atmosphäre will auch Wolfgang Rihm in seinem Konzert haben. Die Saft- und Kraftwurzel unter den lebenden Komponisten schlägt beim Beschreiben zarte Töne an, redet von einem sensiblen Instrument mit einer rätselhaften Persönlichkeit, die aus einer Art Schattenreich heraustöne.
Atmen? Ist nicht vorgesehen
Schöne Worte. Sie bedeuten aber nicht, dass das Publikum in Luzern jetzt ein modernes, romantisches Konzert erwartet. Sondern eben eines, das an eine längst vergangene Zeit erinnert. Entsprechend ist der Hornklang oft leicht verhangen, wie hinter einem leichten Nebel wahrnehmbar, und verschwindet am Schluss ganz. Die Solokadenz, in der ein Instrument üblicherweise virtuos auftrumpft, ist hier tief, leise und langsam. Eine Antikadenz.
Der Solist ist stark gefordert, von ihm werden alle modernen Spieltechniken verlangt. Atmen ist auch nicht vorgesehen. Dennoch lässt Rihm das Horn vor allem grosse Melodiebögen singen, manchmal übernimmt ein anderes Blasinstrument, die gestopfte Trompete zum Beispiel oder die Basstuba, und die Farbe ändert sich fast unmerklich.
Davor und danach: richtige Romantik
Im Luzerner Konzert spielt Stefan Dohr den neuen Rihm zwischen zwei Werken von Antonin Dvorak, der eher dunklen sinfonischen Dichtung «Die Waldtaube» und Dvoraks Dauerbrenner, die Sinfonie «Aus der neuen Welt». Es wird spannend sein, zu beobachten, wie sich romantische Erinnerung mit handfester Romantik verträgt und welche Emotionen oder Erkenntnisse das im Zuhörer auslöst.