Eine «kulturelle Magerwiese» sei Davos gewesen vor der Gründung des Davos Festivals vor bald drei Jahrzehnten. So erläuterte es der Landamman Tarzisius Caviezel am Eröffnungsabend vom 2. August in seiner Ansprache. Seither habe sich das Festival aber von einer kleinen Pflanze zum stattlichen Baum entwickelt.
Tatsächlich hat die Aufbauarbeit das Festival in eine gute Position manövriert. Angefangen beim Gründer Michael Haefliger bis zur Intendantin Graziella Contratto, die das Davos Festival letztes Jahr verliess. Junge Elite-Kammermusikerinnen und hochkarätige Solisten geben sich Jahr für Jahr ein Stelldichein. Und die Stimmung unter den Teilnehmern, der künstlerische Austausch, überträgt sich auch auf das Publikum.
Ein launiger Auftakt
So auch am diesjährigen Eröffnungkonzert, als John Cages «Living Room Music» in einer inszenierten Wohnstube samt Wäscheständer und klapperndem Laptop das Publikum irritierte und belustigte. Der launige Auftakt mit vier Sprechern und Klopf-Rhythmen ging nahtlos in klassische Kammermusik über, als das junge Schumann Quartett aus Deutschland einsetzte. Eindrücklich gestaltete es die Zerrissenheit und radikale Innerlichkeit von Franz Schuberts c-moll-Streichquartett-Fragment.
Schon Graziella Contratto hatte kontrastreich programmiert und das Festival jeweils unter ein Motto gestellt, das spannende Bezüge ermöglichte. Sie hatte mit Improvisationen frischen Wind ins Konzertprogramm gebracht und mit Liegestuhl-Konzerten der «Zauberberg»-Aura von Davos gehuldigt und so für Aufsehen gesorgt.
Musikalische Aushilfe von der Armee
Reto Bieri geht für die Ausgabe 2014 einen Schritt weiter: einerseits mit der Ausweitung auf anspruchsvolle Vokalmusik, andererseits mit einem Kammerorchester. Der 13-köpfige Kammerchor des Festivals führt Musik des «composer in residence» Tigran Mansurian auf und wirkt unter anderem in einer Bach-Kantate mit. Zudem tritt in verschiedenen Konzerten die Davos Festival Camerata auf, die sich aus den eingeladenen Kammermusikern und ausgewählten Studentinnen und Studenten zusammensetzt.
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Einen besonderen Akzent im Programm bringt der Auftritt des Schweizer Armeespiels mit sich. Auch bei dieser Einladung zeigt sich die ironisch-hintersinnige Seite des neuen Intendanten. Er hatte beim VBS-Chef Ulrich Maurer nämlich brieflich um Geleitschutz für das Festival in Davos gebeten, analog zum alljährlichen Sicherheitsaufgebot für das WEF. Und das Angebot des Bundesrats, er könne gerne musikalisch aushelfen, ebenso gerne angenommen. So kam die Kombination mit dem Cellisten Nicolas Altstaedt zustande, der das berühmt-berüchtigte Konzert von Friedich Gulda aufführt, und das mit einer Frau am Pult, der jungen finnischen Dirigentin Dalia Stasevska.
Halt auf Verlangen
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Das Motto für die erste Ausgabe unter seiner Leitung hat Reto Bieri übrigens im Zug nach Davos gefunden. Viele Stationen der RhB bieten im Prättigau lediglich «Halt auf Verlangen». In der musikalischen Deutung des Begriffs trifft die Sehnsucht der Romantik unversehens auf das Innehalten der Musik: eine Fermate («Haltestelle») im Notentext verlangt den Interpreten genaue, gemeinsame und dennoch zwanglose Gestaltung ab.
Und so stellt das Festival von Davos zwar brillante «Young Artists» vor, doch nicht als Stars. Die Musik bleibt immer im Mittelpunkt.