14 Jahre alt war Lorenzo Viotti als sein berühmter Vater starb. Zu jung, um bereits musikalisch von ihm geformt zu sein, sagt Lorenzo heute, aber alt genug, um den Vater als Menschen erlebt und geliebt zu haben.
Ein Talent eigener Prägung
Was als Verlust begann, führte schliesslich zur Autonomie. Zwangsläufig. Auch, wenn der Sohn den gleichen Beruf ergriff.
Es dauerte nicht lange, bis aus dem klassisch ausgebildeten Schlagzeuger ein Dirigent ganz eigener Prägung wurde. Ein Dirigent, dem das Talent offensichtlich in die Wiege gelegt wurde.
Auch wenn es die Bestätigung nicht gebraucht hätte: Kürzlich hat der heute 26-Jährige den bedeutenden Young Conductors Award der Salzburger Festspiele gewonnen. Noch mehr Türen gehen jetzt auf für Lorenzo Viotti.
Kann auch Konzerte ablehnen
Liest man sich durch die noch – und wohl nicht mehr lange – überschaubare Anzahl an Online-Interviews, so fällt eines besonders auf: Das Wort «Karriere» scheint für Lorenzo Viotti keine besondere Bedeutung zu haben.
Er hat kein Problem damit, viele der unterdessen zahlreichen Konzertanfragen abzulehnen. Selbst wenn sie noch so bedeutend und prominent sein mögen. Step by step – das ist die Devise – alles zu seiner Zeit.
Beziehungen sind wichtiger
Sehr wichtig hingegen: Das Wort «Beziehung». Diese will erst mal aufgebaut werden. Zum Komponisten, zum Werk, zum Orchester. Jene zum Orchester ist die herausforderndste Beziehung, man weiss nie was kommt.
Es sei wie ein Date mit einer unbekannten Frau. Wie wird sie reagieren? Sage ich das Richtige auf die richtige Art und Weise? Werden die Musiker und Musikerinnen neugierig genug sein oder stellen sie einfach auf Autopilot?
Es bleibt jedes Mal spannend. Auch die Beziehungen zu erfahrenen Kollegen, von denen er noch immer lernen will, sind Viotti wichtig. Nur wer hat, kann geben.
Der junge Dirigent sieht es als seine Hauptaufgabe, ein Werk möglichst tief in sich einzusaugen, um danach so viel als möglich dem Orchester weitergeben zu können. Leidenschaftliche Vorbereitung ist alles.
Die wahre Sprache des Dirigenten
Ein Dirigent hat kein eigenes Instrument. Sein Instrument ist das Orchester, aber auch das muss man erstmal richtig «bedienen» können. Dazu braucht es Wissen, Schlagtechnik und natürlich Musikalität.
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Am wichtigsten scheint aber das Gestische zu sein. Auf die Frage einer italienischen Journalistin meint Viotti, die Geste sei die wahre Sprache der Dirigenten. Den Takt schlagen, das könne jeder lernen. Lange um den heissen Brei sprechen auch.
Am gezieltesten, am direktesten sei und bleibe das «Wie» beim Dirigieren: Präzision, Emotion, Farbe, Struktur, Phrasierung, Artikulation und Spannung.
Das seien die entscheidenden Faktoren und sie liessen sich mittels Gesten übertragen. Entscheidend dabei sei, dass man natürlich und authentisch dabei bleibe. Vor dem Spiegel üben bringe nichts.
Rhythmus ist alles
Wie sieht das musikalische Privatleben von Lorenzo Viotti aus? Nur Bach, Beethoven, Wagner und Strawinsky? Weit gefehlt: Viotti liebt jenseits der Klassik auch Old School Hip-Hop oder gute Salsa-Gruppen und nennt gleich ein paar Namen: Mobb Deeb, Mos Def, Suprême NTM.
Was Qualität hat und in die Beine fährt, spricht ihn an. Rhythmus ist alles. Kein Zufall, schliesslich hat Viotti seine musikalische Karriere als Schlagzeuger begonnen.