Es ist und bleibt ein Erlebnis, im berühmt-umstrittenen Festspielhaus Bayreuth zu sitzen und darauf zu warten, dass die Lichter ausgehen. Denn dann passiert das, was nur in Bayreuth möglich ist: Ein Orchesterklang entfaltet sich, der nirgends sonst möglich ist, einer, der sich den Raum erst mal erobern muss.
Das liegt daran, dass das Orchester unterirdisch sitzt, unsichtbar, verdeckt. So wollte es Wagner, als er das Festspielhaus konzipierte. Dadurch wird der Klang weich und zärtlich und erreicht das Publikum nach und nach. Das ist gerade beim Vorspiel der Oper « Tristan und Isolde » ein grosses Erlebnis.
Orchester läuft zur Höchstform auf
Christian Thielemann dirigiert diesen Tristan, und so sehr der Dirigent polarisiert, weil er manche Werke zu konservativ oder zu romantisch angeht – hier in dieser Aufführung lässt er das Orchester zur Höchstform auflaufen: Die Tempi sind flüssig, flexibel und geschmeidig, die Streicher klingen golden-warm, die Bläser klar und satt.
In Bezug auf die Gesangsstimmen gibt es bei «Tristan und Isolde» ein grosses Fragezeichen: Warum ist es so schwierig, die richtige Isolde zu finden? Nach mehreren Umbesetzungen singt nun die Sopranistin Evelyn Herlitzius die Partie: Ein Bühnentier mit einer Stimme, die erst mal sofort mitreisst, weil in ihr so viel Energie steckt. Die jedoch wenig wandlungsfähig ist, selten verinnerlicht, leise klingt, die vor lauter Lautstärke und Druck im letzten Akt kurz versagte.
Dafür leistet Tenor Stephen Gould als Tristan Grossartiges. Seine Partie ist mörderisch schwierig, ein Kraftakt sondergleichen, den er bis zum Schluss mit samtenem Timbre meisterte. Phänomenal ist auch der Bassist Georg Zeppenfeld als König Marke. Diese Bassstimme, Ein Glücksfall!
Sehnen und Sterben
Und die Regie? Die ist nicht brillant, aber auch nicht völlig misslungen. «Tristan und Isolde» ist eine der rätselhaftesten Opern. Richard Wagner selbst hat die Handlung so auf den Punkt gebracht: Sehnen und Sterben. Vier Stunden langes Sehnen, das sich in Tod auflöst.
In den drei Akten muss also dieses Sehnen, müssen die inneren Bilder, die die Musik transportieren, sichtbar gemacht werden – das ist der Regisseurin Katharina Wagner, der Urenkelin von Richard Wagner, nur bedingt gelungen.
Im ersten Akt behilft sie sich mit einem labyrinthischen Treppenhaus à la M. C. Escher. Darin finden sich die beiden Liebenden und verfallen einander. Der zweite Akt – die endlos lange Liebesszene – spielt in dieser Inszenierung, entgegen dem Original, in einer Art Folterkammer statt, angelegt als Dreieck. Bei ihrer Vereinigung werden Tristan und Isolde von Scheinwerferlichtern beleuchtet und beobachtet. Ziemlich verwegen eigentlich, aber die beiden bewegen sich so unbeholfen bei ihren gefährlichen Spielen, dass dieser Akt der schwächste insgesamt ist.
Im dritten Akt dann ein auf das Minimum reduziertes Bühnenbild: ein schwarzer Raum, darin der verwundete Tristan – und seine Visionen. Diese werden in leuchtende Dreiecke projiziert, schwebende Pyramiden, in denen sich ihm Isolde zeigt: schön und geheimnisvoll.
Auf dass sie nie mehr aufhört zu singen
Insgesamt ist die Regie keine Offenbarung: Sie hat Längen, wirkt zu wenig durchdacht und die Personenführung ist eine verpasste Chance.
Aber es gibt Glücksmomente in dieser Oper, etwa der Schluss: Isoldes Liebestod. Sie sitzt auf der Bahre neben dem Leichnam von Tristan singt und das berühmte «Mild und leise wie er lächelt».
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Obwohl die Sängerin stimmlich auch hier zu wenig Varianz hat: Als Hörerin wünscht man sich, dass sie nicht mehr aufhört zu singen; sitzt da und ersehnt eine endlose Melodie, im wahrsten Sinne der Wortes.
Am Ende sollte Isolde ja sterben, so hat Wagner das vorgesehen. Aber in der Oper in Bayreuth greift König Marke ein: Er fasst Isolde unsanft am Arm und führt sie weg. Das bedeutet für sie: No happy dying, but an unhappy living – ein starker Einfall. Grossartige Musik. Schon deswegen lohnt sich der Opernbesuch.