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Weltklasse – Sommerkonzerte Die Bergetappe des Menuhin-Festivals

Die Kirche liegt idyllisch auf dem Hügel über Château-d’Oex. Doch die Live-Übertragung des Konzerts von Christoph Prégardien beim Menuhin-Festival Gstaad wird zur Knacknuss für die Techniker. Schon im Vorfeld.

«Ich hab' die Strassenbreite mit A4-Blättern in der Garage ausgelegt. Es geht nicht!» Urs, der Audiotechniker und Disponent, hat auch einen LKW-Führerschein. Er schaut mich an, das Lächeln hinter seinem Vollbart sagt mir: Sorry, aber mach dir keine Illusionen.

Wir planen die Direktübertragung aus Château d’Oex in der Region Pays-d’Enhaut bei Gstaad, vom Menuhin-Festival. Der berühmte Tenor Christoph Prégardien wird im «Temple» einen Liederabend geben. Künstlerisch ein Leckerbissen und aus tontechnischer Sicht eigentlich kein grosses Problem. Wäre da nicht dieser schmale Fahrweg auf den Hügel.

Menuhin und Gstaad

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In den 1950ern findet der Violinist Yehudi Menuhin (1916 - 1999) im Saanenland eine neue Heimat. In Gstaad gründet er 1957 sein Musikfestival, das er 40 Jahre leitet. Mit dem Wachstum des Festivals werden ab 1989 auch grosse Symphoniekonzerte möglich, bis zu seinem Tod tritt Menuhin an seinem Festival zunehmend als Dirigent in Erscheinung.

Keine Chance für den breiten Camion

«Wir kommen da nicht hoch mit dem SeWa, es ist zu eng. Und gleich unten am Hügel ist auch noch diese scharfe Kurve. Er gibt nur das Fussweglein, das ist mehr so eine Treppe. Also: Wenn Du die Künstler in der Pause interviewen willst, musst du zu ihnen den Hügel hochsteigen – sonst sind sie nachher ausser Atem für die zweite Konzerthälfte.»

Der «SeWa», der Sendewagen, ist mein Arbeitsort als Moderator. Im zweiten Gefährt, dem ProWa (Produktionswagen), wird der Musikregisseur am Mischpult sitzen und sich auf die Aufnahme konzentrieren. Von ihm gelangt das Signal zu mir, der Sendetechniker pegelt meine Lautstärke gegenüber der Saal-Atmosphäre ein, und ich muss aufpassen, dass ich rechtzeitig fertig bin und den Mund halte, wenn die Musik beginnt.

Komplexe Umstände – genaue Planung

Meine erste Sorge: Wenn die Distanz zum Konzertsaal so gross ist – wie sehe ich, was da läuft? «Keine Sorge, die Videokamera können wir für dich installieren. Du hast den Bildschirm dann vor dir. Aber mit Live-Interviews kannst du's vergessen.»

Porträt des gealterten Yehudi Menuhin mit verschränkten Händen.
Legende: Yehudi Menuhin 1996 in Gstaad. Keystone

Urs und Ruedi, meine Kollegen von der Technik, arbeiten für tpc, die Produktionsfirma der SRG. Sie sind am Wochenende zuvor noch anderweitig im Einsatz und werden von Luzern her über den Brünig-Pass und Gstaad nach Château d’Oex fahren.

Angesichts der komplexen Umstände werden sie im Vorfeld schon mal vor Ort rekognoszieren: Wie lang muss das Glasfaserkabel vom Parkplatz unten am Hügel bis zur Kirche sein? Wo können die beiden Camions parkieren? Und wo gibt es einen Starkstromanschluss? Die Produktions- und Sendewagen brauchen eine Speisung mit 380 Volt. All diese Bedingungen werden fotografiert und fein säuberlich im Produktionsauftrag dokumentiert.

Und dann ist da auch noch ein Dorffest

Ihre Erkundigungen verlaufen befriedigend. Das Ballonmuseum gestattet uns, vor dem Eingangsbereich zu parkieren. Allerdings stellt sich heraus: am Wochenende findet auch noch das Dorffest in Château d’Oex statt. Also muss Ruedi noch mit dem «chef de sécurité» Kontakt aufnehmen, um die Zufahrt für die beiden tpc-Camions zu regeln.

Ich telefoniere mit dem Pressebeauftragten des Menuhin-Festivals, gelange an die Künstleragentur und platziere meine Anfrage für ein Interview im Vorfeld des Konzerts. Die Antwort der Künstler ist positiv. Also werde ich am Tag der Übertragung früh aufstehen müssen, damit ich rechtzeitig von Zürich ins Hotel im Berner Oberland komme.

Reiselektüre bestelle ich mir auch schon. Auf dem Programm des Liederabends steht neben Schubert und weiteren Romantikern nämlich auch Benjamin Britten. Der war mit der Romanautorin und Dichterin Edith Sitwell gut befreundet. Für seine Kantate mit Rezitation «The Heart Of The Matter» hat Britten die Verse der englischen Exzentrikerin verwendet. Die nehme ich mit auf die Bahnreise ins schöne, aber steile «Pays-d’Enhaut».

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