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Weltklasse – Sommerkonzerte Rafael Rosenfeld: «Zur Musik gehört Leidenschaft und Unvernunft»

Sein Tag scheint mehr als 24 Stunden zu haben: Der Schweizer Cellist Rafael Rosenfeld arbeitet als Solist, als Musikprofessor, als Kammer- und Orchestermusiker. Vor 12 Jahren gründete er das erfolgreiche Merel Quartett. Ein Gespräch über Musik, volle Terminkalender – und Facebook.

Sie sind ein international gefragter Cellist, wohnen aber bis heute in der Schweiz. Ist hier ein gutes Pflaster für eine Musikerkarriere?

Rafael Rosenfeld: Als ich wegen des Studiums nach Deutschland zog, hatte ich nicht im Sinn, bald wieder zurückzukehren. Auch als ich die Stelle im Tonhalle-Orchester mit 22 Jahren antrat, dachte ich an eine erste Erfahrung – und nicht, dauerhaft zu bleiben. Die tolle Atmosphäre und der Musiziergeist haben mich aber gefesselt, und ich blieb gerne. Es hat sich dann eines zum anderen gefügt. Und es brauchte eine gute Portion Glück.

Zur Person

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Geb. 1973 in Luzern, ist Rafael Rosenfeld einer der bedeutendsten Cellisten der Schweiz. Er gewann diverse internationale Preise und wurde mit 22 Jahren Solocellist im Tonhalle-Orchester Zürich – damals das jüngste Mitglied des Orchesters. 2002 gründete er das Merel Quartett, seit 2005 ist er Professor für Cello an der Musikhochschule Basel.

Was würden Sie einem talentierten jungen Schweizer Musiker heute raten?

Das Beste ist wohl, Augen und Ohren offen zu halten. Man muss sich bewusst sein, dass es für junge Musiker – gerade Cellisten – immer schwerer wird, in der Musikwelt einen Platz zu finden. Sicher sollte jeder junge Musiker auch einen Teil seines Studiums im Ausland absolvieren, um den Horizont zu öffnen und verschiedene Einflüsse zu erhalten.

Sie arbeiten als Solist, Kammermusiker, Orchestermusiker, Lehrer. Ist das Switchen zwischen den Funktionen eher Lust oder Frust?

Ich empfinde es als unglaublich erfrischend und inspirierend. Da ich diese Tätigkeiten schon viele Jahre ausführe, fällt es mir eigentlich nicht schwer zu wechseln. Natürlich sind die Tage und Wochen zeitweise extrem gefüllt. Da kommt man teilweise schon ans Limit. Dafür ist es nie ein Problem, mich zu motivieren. Einzig das Organisatorische wächst einem manchmal über den Kopf.

Was macht Ihnen besonders Freude beim Musizieren im Streichquartett?

Sendehinweis

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Rafael Rosenfeld und sein Merel Quartet spielte am 30. Mai 2014 in der Klosterkirche Münsterlingen.

Radio SRF 2 Kultur sendet eine Aufnahme des Konzerts:

Weltklasse: Merel Quartet

29. Juli 2014, 22.35 Uhr

Das Repertoire ist etwas vom Grössten und Tiefsten, was es gibt – zu vergleichen nur mit Klavier solo. Die meisten grossen Komponisten haben das Quartett als eine Art Königsdisziplin gesehen und grossartige Werke dafür geschaffen. An diesen zu arbeiten ist unheimlich spannend und erfüllend: Zu versuchen ihren Kern zu erfassen, ihnen Leben zu geben – gemeinsam mit drei Musikern, mit denen man an einem Strick zieht, die aber doch verschiedene Sichtweisen haben.

Goethe hat das Streichquartett einmal als ein «Gespräch unter vier vernünftigen Leuten» bezeichnet. Das klingt nicht gerade spannend. Braucht es in einem Quartett nicht auch Querköpfe mit einer Portion Unvernunft?

Absolut! Manchmal lachen wir gemeinsam über uns selber, wenn wir uns eine halbe Stunde lang an einem einzigen Takt aufgehalten haben und uns darüber fast die (Quer-)Köpfe eingeschlagen haben. Man kann Musik nur mit Leidenschaft machen, dazu gehört auch Unvernunft.

Das Merel Quartett hat in jüngster Zeit verschiedene personelle Veränderungen erlebt. Wie geht man damit um? Und: Ist für ein Quartett Kontinuität oder Erneuerung wichtiger?

Alles zu seiner Zeit. Wir haben sieben Jahre in einer festen Besetzung erlebt. Es hat sich dann gezeigt, dass wir nicht mehr alle dieselben Ziele hatten. Das lag auch an persönlichen und familiären Situationen.

Die Wechsel an sich waren aufregend – im guten wie im schwierigeren Sinn. Neue Impulse öffnen die Ohren wieder anders. Auf der anderen Seite müssen jahrelang erprobte Mechanismen und Vertrautheiten neu aufgebaut werden.

Der Kampf um Aufmerksamkeit ist heute in der Kultur enorm. Junge Musiker entwickeln verschiedene Strategien: Sie sind in den neuen Medien präsent, suchen nach Nischen, machen Crossover-Projekte, professionalisieren das Management. Das Merel Quartett scheint seinen Weg konventionell zu gehen.

Schauen Sie, ich bin Musiker geworden, weil ich das liebe. Ich kann mich darin ausdrücken und glaube an eine besondere Kraft in dieser Musik – und ich bin auch überzeugt, dass die hergebrachte Konzertform weiterleben wird. Es wird immer Menschen geben, die das wollen.

Karriere ist letztlich sekundär. Man braucht sie, damit die riesige Arbeit, die man hineinsteckt, auch honoriert bekommt, finanziell und durch Anerkennung. Warum sollten wir unsere Energie in Dinge stecken, an die wir nicht wirklich glauben? Das heisst aber nicht, dass wir nicht auch auf Facebook und Youtube präsent sind. Wir diskutieren beispielsweise darüber, unsere zukünftigen Aufnahmen auch mit Video zu produzieren und sie im Netz zugänglich zu machen.

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