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Weltklasse – Sommerkonzerte Sind Musikfestivals tatsächlich Feste der Musik?

Festivals für Klassik und für andere Musikstile gibt es hierzulande viele. 500 sind es mindestens – wer soll das alles hören? Und geht es überhaupt darum? Oder mehr um das Erlebnis, oder gar um das Geld? Über Aus- und Nebenwirkungen von Festivals aufs Publikum und das Konzertleben.

Im Festival steckt das Wort Fest. Etwas Festliches, etwas aus dem Alltag Herausgehobenes also. Das ist im besten Falle künstlerische Exklusivität: Das Festival bietet dann etwas, was der institutionelle Betrieb, das «Abo-Konzert», übers Jahr nicht bietet.

Festivals sind per se aber auch aus dem Alltag herausgehoben. Was hat das mit uns zu tun, mit meinem Leben, was da geboten wird, könnte man sich da fragen? Und wie kann ein Festival nachhaltiger werden? Also auch was seine Strukturen betrifft.

Nachhaltigkeit bei Festivals

Klar sei es einfach, Presse zu bekommen, Publikum anzulocken, wenn man an drei Tagen 50 Konzerte herausposaunt. Das sagt Johannes Rühl, Leiter des Festivals Alpentöne und an der Hochschule Luzern zum Thema «Nachhaltigkeit bei Festivals» forschend. Er findet, Festivals sollten sich stärker an die Institutionen binden, an ein öffentlich subventioniertes Stadttheater etwa, einen Musikveranstalter.

Das würde die Planung erleichtern und auch die Finanzen nachhaltiger sichern – denn so mancher Sponsor springt nach ein paar Jahren ab. Auch wenn sich dagegen nichts sagen lasse. Denn, so Rühl, es stecke auch keine Verpflichtung hinter dem Sponsoring.

Festivals als Fundgrube

Die Tonhalle-Intendantin (und ehemalige Leiterin des Beethovenfests Bonn) Ilona Schmiel hat an einem Festival in Helsinki eine Entdeckung gemacht, die im normalen Konzertalltag wohl kaum möglich gewesen wäre: den Geiger Pekka Kuusisto als Folk-Musiker mit seiner eigenen Band Luomu.

Klassische Musiker, die zur Jazz-Geige greifen – um solche Entdeckungen machen zu können, helfen die offeneren Strukturen eines Festivals. Dafür braucht es Late-Night-Konzerte oder ähnliches. Von dieser Offenheit der Festivals, von ihrem «Labor-Charakter», so Schmiel, können Veranstalter herkömmlicher Konzerte in städtischen Institutionen lernen. Das ist ihr Wunsch.

Gesamterlebnis Festival

Es gibt 150 Klassikfestivals in der Schweiz. Dass diese nun den städtischen Konzertveranstaltern das Wasser abgraben würden, kann man nicht sagen. Allerdings ist ein Trend erkennbar, der Festivals zugute kommt: Weg vom verpflichtenden Abonnement, hin zur kurzfristigen Entscheidung der Zuhörer, ein Konzert zu besuchen. Hin, vielleicht, auch zum Spektakel, zum Gesamterlebnis, das ein Festival oft bietet.

Im besten Fall ist das ein interdisziplinäres Programm, das die Künste miteinander in Verbindung bringt. Das die gesellschaftliche Relevanz einer Mozart-Oper etwa aufzeigen kann. Zum Gesamterlebnis kann aber, je nach Festival, auch einfach das Zelt gehören, das man als Festivalbesucher drei Tage lang für Party mit Live-Musik aufstellt.

Das Konzert in der Alphütte

Bei so vielen Klassik-Festivals ist klar, dass nicht jedes mit der Zauberformel «Star als Zugpferd und Jungkünstler als Entdeckungen» locken kann. Viele Festivals setzen etwa auf den speziellen Ort. Ein schönes Hotel, eine heimelige Alphütte oder auch ein Pumpspeicherwerk. Musik im Stollen.

Gegen solche experimentellen Spielorte ist eigentlich nichts zu sagen. Nur sollten sie der Musik nicht im Weg stehen. Und, das findet Ilona Schmiel, solche Experimente sollten im Idealfall den Weg in die Städte zurückfinden. Und da den Konzertalltag mit der Abo-Reihe am Mittwochabend beflügeln.

Das Geheimnis grosser Festivals

Einer, der einen sehr kritischen Blick auf Festivals wirft, ist der bekannte englische Musikkritiker Norman Lebrecht. Er hat einmal maliziös gesagt, das Geheimnis der grossen Schweizer Festivals beschränke sich auf das Geld. Das musikalische Panorama sei in der Zeit stillgestanden. Das Durchschnittsalter des Publikums entspreche demjenigen der Verwaltungsräte der Sponsorfirmen.

Das ist sicher nicht ganz falsch. Doch können Festivals mit interdisziplinären Programmen, mit guten Motti und – warum nicht? – an speziellen Konzertorten tatsächlich Feste der Musik sein. Musikfeste, die in den Konzertalltag hineinstrahlen? Denn, wie die Sängerin der belgischen Band Soulwax einmal so schön sang: «A part of the weekend never dies.»

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