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Musik Wie die Schweiz zu einem spätromantischen Komponisten kam

Als Paul Juon 1940 in Vevey starb, kannte man ihn in der Schweiz kaum. Dabei ist er der bedeutendste Schweizer Komponist der Spätromanik. Aber war Paul Juon wirklich ein Schweizer?

Aufgewachsen ist Paul Juon in Moskau und hat die meiste Zeit seines Lebens als deutscher Staatsbürger in Berlin gelebt. Trotzdem fühlte sich Paul Juon als Schweizer: Er besass die Schweizer Staatsbürgerschaft, sein Grossvater kam aus dem Bündnerland und seine zweite Frau war Schweizerin. In der Schweiz gelebt hat Paul Juon jedoch erst nach seiner Pensionierung 1934.

Die Herkunft war entscheidend

Dass Paul Juon ein Schweizer internationaler Abstammung war, klingt heute gut. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war aber vor allem die Herkunft entscheidend. Die Romantiker besannen sich auf ihre Wurzeln. In der Musik entstanden so die nationalen Stile.

Ganz bewusst integrierte man Volksmelodien und Tänze in die komponierte Musik. Auch Paul Juon konnte sich diesem Trend nicht entziehen. In einem Brief schrieb er: «Bekanntlich sind die Eindrücke, die man in der Jugend empfängt, die stärksten, darum sind hauptsächlich Einflüsse der russischen Volksmusik (die ich, übrigens, sehr liebe) in meinen Werken vertreten».

Das Glück in Berlin versuchen

Paul Juons wichtige und prägende Lehrer in Moskau waren Sergei Tanejew und Anton Arenski. Als Schüler der deutschen Schule in Moskau hatte er aber auch eine starke Bindung zur deutschen Kultur. Diese Bindung baute Paul Juon aus. Als Student ging er nach Berlin und war erfolgreich: 1896 erhielt er den Mendelssohn-Preis für Komposition.

Nach der Ausbildung in Berlin verschlug es Paul Juon erst einmal weit in den Osten, nach Baku in Aserbaidschan. Am dortigen Konservatorium engagierte man den frisch verheirateten Juon als Lehrer. Er unterrichtete und schrieb Musikkritiken für die Zeitung. Ein knappes Jahr blieb er dort, dann ging es wieder nach Berlin. Über die Zeit in Baku notierte Paul Juon: «... ich fand dort gar zu wenig künstlerische Anregung und beschloss, mit Frau und Kind nach Berlin überzusiedeln, um hier mein Glück zu versuchen.»

Unterrichten und komponieren

Das Glück in Berlin kam. Die Familie wuchs. Drei Kinder belebten den Haushalt und Paul Juon unterrichtete und komponierte mit zunehmendem Erfolg. Hilfreich war ein Stipendium der Franz Liszt Stiftung. 1906 wurde Paul Juon Lehrer für Komposition an der Hochschule für Musik und stieg schnell zum Professor auf. Die Lebensstelle war gefunden.

Unglücklich war das Jahr 1911. Es war geprägt vom frühen Tod seiner Frau Katharina. Ein Jahr später heiratete Paul Juon die Witwe eines Schweizer Freunds. Drei weitere Kinder kamen zur Welt und die Musik von Paul Juon begann sich international zu verbreiten. Die Karriere lief rund, auch nach dem kriegsbedingten Unterbruch 1915-1918.

«von rührender Hilflosigkeit»

Wahrscheinlich wäre die Karriere noch steiler verlaufen, wenn Paul Juon nicht ein so bescheidener Mensch gewesen wäre. Ein Beleg dafür findet sich in der Familiengeschichte seines Bruders Eduard: «Jeder Reklame ist mein lieber Bruder Paul abhold; hierin ist er von rührender Hilflosigkeit, wie er überhaupt an persönlicher Anspruchslosigkeit seinesgleichen sucht…».

Paul Juon liess sich 1934 in Berlin frühzeitig pensionieren und zog nach Vevey am Genfersee. Die Schweiz ist so zu einem bedeutenden spätromantischen Komponisten gekommen. Wahrgenommen wurde diese Tatsache aber kaum. Juons Musik war wohl zu russisch, sein Charakter zu bescheiden.

Eine späte Wiederentdeckung

Ausserdem kam das Weltgeschehen dazwischen. Kaum war Paul Juon in Vevey angekommen, begann sich schon der Zweite Weltkrieg abzuzeichnen. Die Aufmerksamkeit für einen Schweizer Komponisten russischer Abstammung war unter diesen Umständen klein.

In den letzten Jahren hat sich vieles geändert. Paul Juon wird in der Schweiz wiederentdeckt. Auffallend viele CD-Aufnahmen sind erschienen, einige sind noch geplant. Auch auf Konzertprogrammen taucht Paul Juon immer öfter auf. Eine späte, aber lohnenswerte Wiederentdeckung.

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