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Musik Wo sind die Musiker? Wenn Roboter das Spielen übernehmen

«Wir sind die Roboter», sang die deutsche Band Kraftwerk 1978. Jetzt stehen echte Roboter auf der Bühne. Sie sind das Werk von neun niederländischen Technik- und Musikfreaks, die eine grosse, kollektive Leidenschaft haben: Roboter basteln.

Mit dem Tüfteln haben sie 2007 auf dem Estrich angefangen. Inzwischen verfügen die neun niederländischen Software- und Elektro-Ingenieure über einen grossen, komfortablen Übungsraum auf dem Campus der Technischen Universität in Eindhoven. Dort, wo sie sich als Studenten kennengelernt haben.

Im Unterschied zum Übungskeller einer gewöhnlichen Rockband steht im Lokal der Roboterband ein langes Pult mit vielen Computern. Und das Kabelwirrwarr, das aus den aufgestellten Instrumenten quillt, übersteigt bei weitem jenen einer Musikkapelle mit Mitgliedern aus Fleisch und Blut.

In der Not gründeten sie eine Roboterband

Ein Bass mit vielen Kabeln.
Legende: Wer ohne Mensch spielen will, muss gut verkabelt sein: der Bass der Band. Team Dare

Hier drin trifft sich das Neuner-Team jeden Mittwochabend, um weiter an der Weltneuheit zu basteln. Die Männer zwischen 26 und 41 Jahren sind Pioniere auf diesem Gebiet. Dabei haben sie eigentlich bloss aus der Not eine Tugend gemacht.

Weil keiner von ihnen das Zeug zum Profimusiker hatte, fingen sie an, mit ihrem technischen Know-how echte Instrumente in Selbstspielmaschinen zu verwandeln. «Wir finden das Erfinden der Technik viel spannender, als viel zu üben», erklärt Heiko Sandee.

An der Gitarre bastelten sie ein knappes Jahr. Jede der sechs Saiten bestückten sie mit einem kleinen Motor, der für das Anschlagen verantwortlich ist. Am Hals montierten sie 72 Pressluft-Zylinder, die die Saiten greifen. Damit dies auf der richtigen Höhe geschieht, waren nochmals sechs Motörchen nötig.

Um die ganze Elektronik zu stabilisieren, bauten sie eine Konstruktion um das Instrument. So ist es für das Publikum kaum noch ersichtlich, dass es sich um eine echte Gitarre handelt. Diesen «Fehler» behoben sie bei den weiteren Instrumenten, die sie «roboterisierten».

Aller Anfang ist schwierig – auch bei Robotern

Audio
Zu Besuch bei der Roboterband (Hörproben inklusive)
aus Kultur kompakt vom 11.03.2015.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 36 Sekunden.

Nachdem die Gitarre fertig war, probierten sie sie auf der Bühne mit echten Musikern und vor echtem Publikum aus. Der Versuch missglückte: «Unsere Gitarre hörte nicht auf den menschlichen Drummer», lacht Sandee. Deshalb tüftelten sie weiter.

Sie kauften ein neunteiliges Schlagzeug und statteten dieses wiederum mit Zylindern und Motoren aus. Knackpunkt bei den Schlaginstrumenten war der Klang. Ein Schläger, der sich senkt und direkt auf das Becken schlägt, erzeugt bloss einen dumpfen Ton. Also bauten sie einen Federmechanismus ein, dank dem das Schlagzeug nun wie echt tönt.

Inzwischen haben sie ihre Roboterband, die sie Team Dare (Daring Autonomous Robots Eindhoven) nennen, mit einem Bass und einer Panflöte ergänzt – und geben damit regelmässig Konzerte.

Jöö-Effekt für die Stimmung

Eine blaue, zottelige Puppe mit grossen Augen.
Legende: Ein knuffiger Bandleader: Wie schon sein Namensgeber «Iggy Pop» soll er für Stimmung sorgen. Team Dare

Ihr Repertoire umfasst unterdessen 150 Rock-, Pop- oder Klassik-Hits. Aber zufrieden sind sie noch immer nicht. Zwar reagiere das Publikum enthusiastisch auf die Instrumenten-Roboter, sagt Heiko Sandee. Aber viele würden sich spätestens nach einer Viertelstunde langweilen, weil auf der Bühne einfach nichts passiere.

Das wird sich demnächst ändern. Die Tüftler haben eine eineinhalb Meter hohe Puppe aus blauem Zottelfell gekauft: Iggy Pop. (Auf Niederländisch heisst Puppe «pop».) Iggy soll zum Entertainer der Roboterband werden. Bereits haben sie seinen Bauch aufgeschlitzt, um ihn mit Elektronik vollstopfen zu können.

Gut möglich, dass Iggy – wenn er dann einmal redselig geworden ist – ihnen zu einem Konzert am berühmten niederländischen Openair «Lowlands» verhilft. Damit ginge der grösste Wunsch der neun Roboterfans in Erfüllung.

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