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Popkritiker Hanspeter Künzler über Michael Jackson
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Madonna, Jackson & Prince «Die Zeit der wirklich grossen Popstars ist vorbei»

Madonna, Prince und Michael Jackson waren die Superstars ihrer Generation. Zwei davon sind vor ihrem 60. Geburtstag gestorben, die andere macht heute Schlagzeilen mit ihrem Fitnesswahn oder adoptierten Kindern. Was ist das Erbe dieser Über-Popstars? Ein Gespräch mit Hanspeter «Düsi» Künzler über Reizwäsche, Status-Bolzerei und gute Musik.

Hanspeter «Düsi» Künzler

Hanspeter «Düsi» Künzler

Musikjournalist

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Hanspeter «Düsi» Künzler ist freier Journalist mit Wohnsitz in London. Er schrieb zwei Bücher über Michael Jackson: die Biografie «Black or White» und «Der Thriller um Michael Jackson», ein Buch über Jacksons Fans. Er arbeitet regelmässig für SRF, unter anderem für die Musiksendung «Sounds!».

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SRF: Was wird in 30 Jahren von Madonna und Co. noch bleiben?

Hanspeter Künzler: Von Prince die Musik, von Michael Jackson die Musikvideos und die Show und von Madonna «Like A Virgin» und «La Isla Bonita» als Karaoke-Versionen… Na gut, das war jetzt etwas böse.

Nichts gegen Karaoke! Aber vielleicht kann man es versöhnlicher formulieren: Madonna hatte andere Stärken als ihre Musik.

Ja. Ich habe sie nie als grosse Musikerin gesehen. Ich habe sie als Popstar wahrgenommen. Was von ihr definitiv bleiben wird, ist die Emanzipation der Frau in der Musikindustrie.

Vor Madonna haben Frauen sanfte Liebeslieder gesäuselt oder dienten als hübsches Beiwerk. Dann kam Madonna: eine starke Frauenfigur, die sich erlaubte, trotzdem sexy zu sein. Sie hat viele Türen geöffnet.

Illustration: Ein Mann mit Hut und schräger Pose, eine Frau in engem Kostüm, ein Mann mit Gitarre und lila Anzug.
Legende: Madonna, Michael, Prince. SRF / Simon Krebs

War sie der bessere Popstar als Michael Jackson?

Die beiden spielten in ihrer eigenen Liga. Jackson war ein begnadeter Pop-Künstler. Er war ein toller Sänger mit vielen neuen Ideen, ein hervorragender Komponist und Tanzpionier.

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Hanspeter Künzler über Madonna
00:37 min
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Er war der erste, der Film in die Popmusik hereingebracht hat. Seine Musikvideos waren revolutionär – auch wenn sie heute etwas altbacken daherkommen. Und natürlich war er ein unglaublich toller Performer. Auf der Bühne war er ziemlich unschlagbar.

Was bleibt von Prince?

Prince war ein grossartiger Musiker. Er machte eine ähnlich irre Mischung aus Funk, Rock und Soul wie Michael Jackson. Aber er war doch wesentlich abenteuerlustiger. Er hat das musikalische Wagnis viel mehr gesucht als die anderen beiden. Das hat ihm zwar weniger, aber wahrscheinlich längerfristige Fans eingetragen.

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Hanspeter Künzler über Prince
00:43 min
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Wenn wir über die Musik hinaus gehen: Von Madonna bleibt die Emanzipation – und von Michael Jackson?

Von Jackson bleibt dieser androgyne, ganz spezielle Look – weder schwarz noch weiss –, den er für sich entworfen hat. Auch seine Art sich auszudrücken, das Tanzen, die Bewegungen.

Die 80er-Jahre waren doch noch stark vom Machogehabe geprägt, Jacksons Stil war da sehr umstritten. Die Gender- und Sexualität-Diskussionen von heute, die hat eigentlich Michael Jackson vor 30 Jahren mit angestossen – und auch Prince.

Madonna auf der Bühne vor einer grossen Projektion von Prince
Legende: Sie rüttelten beide an den starren Geschlechterrollen: Madonna ehrt den verstorbenen Prince an den Billboard Awards in Las Vegas im Mai 2016. REUTERS/Mario Anzuoni

Auch er trat in Reizwäsche auf und hat mit seinem Image experimentiert. Aber bei Prince stand immer die Musik im Vordergrund.

Er war ein exzellenter Musiker und Produzent, der sich nicht zu schade war, Ohrwürmer aufzunehmen. Gleichzeitig hört man auf seinen Platten plötzlich Gitarrensoli, die man eher auf einer Hardcore-Jazzplatte erwarten würde.

Jetzt mal genug mit den ganzen Lorbeerkränzen. Haben Jackson und Co. auch problematische Trends gesetzt?

Diese unglaubliche Materialschlacht und Status-Bolzerei bei den Konzerten und Musikvideos: immer grösser, teurer, spektakulärer. Das ist mit Michael Jackson losgegangen. Der Fokus hat sich verschoben, der lag dann auf den Choreografien, der Show und dem Video. Darunter leidet in meinen Augen die Musik.

Wo sieht man bei der heutigen Musik und Künstlern noch Spuren von den dreien?

Die R'n'B-Musik von Beyoncé und Co. geht auf Michael Jackson zurück, darauf, wie er Funk produziert hat.

Madonnas Image klingt bei vielen Künstlerinnen nach: bei Rihanna, Rita Ora und natürlich Lady Gaga. Die heutige Diskussion um Geschlecht und Sexualität wurde sicher auch durch Madonnas berühmt-berüchtigten Fotoband «Sex» ausgelöst.

Wären solche Karrieren, wie sie die drei hingelegt haben, heute noch möglich?

Ich glaube, dass die Zeit der wirklich grossen Popstars im Stil von Jackson, Madonna oder Prince vorbei ist. Vorläufig zumindest.

Nehmen wir Lady Gaga: Sie steht in der Tradition von Madonna und macht ja wirklich interessante Sachen. Aber Lady Gaga ist heute nicht halb so omnipräsent wie es Madonna damals war.

Glauben Sie, Madonna, Michael Jackson und Prince werden von den jüngeren Generationen irgendwann wiederentdeckt?

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass alle drei eine grosse Renaissance erleben werden. Sobald ihr Werk von den Teenagern nicht mehr als Musik der Eltern oder Grosseltern wahrgenommen wird.

In 20 Jahren wird man Madonna und Michael Jackson und Prince vollkommen losgelöst von irgendwelchen Zeitgeist-Vorbehalten anhören. Und dann könnte ich mir vorstellen, dass Prince der Grösste von allen sein wird.

Das Gespräch führte Kathi Lambrecht.

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11 Kommentare

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  • Kommentar von M. Roe  (M. Roe)
    Meine Mutter war schon über 80 Jahre alt als sie mir einmal sagte, dass sie Michael Jackson einen sehr guten Sänger finde. Sie war nicht gerade ein Fan von Pop und Rock und sang in einem gemischten Chor Schweizer-Ländler. Dass sogar sie, Jacksons Gesangskunst ausgezeichnet fand, überraschte mich und zeugt von seinem einmaligen Musiktalent. Bei ihm stimmte eben einfach alles perfekt! und alles kam aus seinem innersten Herzen. Wohl auch deshalb hatte ihn sein Vater oft viel zu streng behandelt.
    1. Antwort von U. Müller  (ponca)
      Das stimmt, Jackson war ein Genie. Aber leider wurde er durch seine "Naivität" missverstanden und zu Unrecht verurteilt. Daran zerbrach er denn auch, was eine Schande ist. - Ihre Worte erinnern mich daran, wie ich mal mit meiner Pink Floyd-Tasche an der Kasse eines Geschäfts gestanden bin und mir eine ältere Dame ein Kompliment der Tasche wegen gemacht hat. Sie sei zwar schon 85 Jahre alt (!), aber die Pink Floyd möge sie immer noch! ;-) Das hat mich doch sehr überrascht und auch gefreut. :-)
  • Kommentar von Pascal Gienger  (Pascal Gienger)
    So etwas kann man nur schreiben wenn man nicht weit in der Welt herumkommt.

    In Asien bringen neue Popstars hunderttausend in Stadien für Konzerte und sie existieren länger als ein One Hit Wonder.
  • Kommentar von U. Müller  (ponca)
    Ja, leider ist die Zeit der wirklich grossen Popstars ziemlich vorbei. Mit Wehmut denke ich zurück an die Musik, die noch Format hatte. Wo Musiker wie z.B. John Lennon noch für etwas (ein)standen. Heute macht das fast nur noch Roger Waters von den Pink Floyd. Zum Glück noch einer übrig von der alten Garde! - Wenn ich mir heute gewisse Radiosender anhöre oder in Kleidergeschäften bin, bin ich gezwungen, schnell umzuschalten oder den Laden zu verlassen, um nicht zu verbl-öde-n.