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Erst verschmäht, heute verehrt: Wolfgang Rihm wird 70
Aus Kultur-Aktualität vom 11.03.2022. Bild: IMAGO / Gustavo Alabiso
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Wolfgang Rihm wird 70 Zu seinem Werk gehört der Widerstand

Wolfgang Rihm ist einer der meistgespielten zeitgenössischen Komponisten. Angebiedert hat er aber sich nie – im Gegenteil.

Man ärgere sich natürlich, sagt Wolfgang Rihm, wenn man als Mittzwanziger immer nur mitgeteilt bekomme: «Man kann nicht spielen, was du machst.» Wenn das Publikum sage: «Das klingt ja grauenvoll.» Oder wenn die Kritiker schreiben: «Das ist furchtbar, das klingt zu schön.»

Zu schön den einen, zu grässlich den anderen: Wolfgang Rihm blickt auf seine Anfänge zurück, als er Musik wie «Chiffre für Klavier und sieben Instrumente» schrieb. Da ist Kraft drin. Mut. Eigenwille. Da spricht einer, tritt als Person auf und versteckt sich nicht hinter Moden und Trends. Es sprudelt nur so aus dem jungen Rihm, dass es einen direkt anspricht.

Musik zwischen Rausch und Apokalypse

Wolfgang Rihm ist ein Intellektueller, aber keiner, der Kopfmusik schreibt. Seine Stücke sind anregend: ein Sprechen in Tönen. Rihms Musik ist zugänglich, ohne sich beim Publikum anzubiedern. Und der Katalog ist gross: Über 400 Werke hat Rihm geschrieben: Opern, Orchesterwerke, Musik für fast jede Art von Kammerensemble.

Musik entsteht bei Rihm als Reaktion auf die Welt, auf andere Komponisten oder Künstler. Etwa auf den Lyriker Antonin Artaud. Sein exzessives Orchesterstück «Tutuguri» spiegelt Artauds exzessive Sprache wider, seine rauschhaft apokalyptische Lyrik.

Später wird Rihm auch eine Oper nach Artaud schreiben: «Die Eroberung von Mexiko», uraufgeführt 1992 in Hamburg. Wolfgang Rihms Musiksprache wird sich danach ändern, milder werden, zugänglicher für das Publikum. Aber auch für die Musiker und Musikerinnen, die seine Musik aufführen.

Rihm und ein Dirigent über den Notenblättern.
Legende: Rihm zusammen mit dem Dirigenten Ingo Metzmacher bei der Fotoprobe für die Salzburger Festspiele. Rihms Stück «Die Eroberung von Mexiko» wurde 2015 dort aufgeführt. IMAGO / Manfred Siebinger

«Ich finde überhaupt, dass das Problem der Notation etwas sehr Wichtiges ist», sagt Rihm: «Die Musikerinnen und Musiker sollen nicht das Gefühl haben: Wie lange dauert es denn noch, bis wir zur Musik vordringen?»

Von Punkten zur Linie

Nicht an den Ausführenden vorbei schreiben: Dieser Pragmatismus macht den Musikdenker Rihm auch als Dozenten attraktiv. Am Lucerne Festival leitet er eine Akademie für Neue Musik. Für das Luzerner Sinfonieorchester schrieb er 2011 mit dem Orchesterwerk «Nähe fern», spätromantische Musik. Musik, die auf Johannes Brahms reagiert. Ein Lieblingskomponist von Rihm.

Während die Musik des jungen Rihm als «Tanz der Punkte» umschrieben werden könnte – mit Widersprüchen und Reibungen – so hat er mit den Jahren die Schönheit der Linie entdeckt: eine Art «Gesanglichkeit».

Buchhinweis

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Eleonore Büning: «Wolfgang Rihm – Über die Linie. Die Biografie». Benevento, 2022

Radio SRF 2, Kultur-Aktualität, 11.03.2022, 08:06 Uhr;

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