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Yuja Wang über das Leben und die Musik
Aus Kultur Extras vom 10.09.2014.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 13 Sekunden.
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Musik Yuja Wang – eine «Rihanna» im Klassiktempel

Kurzes Kleidchen statt klassischer Robe: Yuja Wang ist keine typische Pianistin. Das gefällt ihr. Denn wenn es nach ihr geht, kann die Klassik-Szene ruhig ein bisschen Pfiff und Rock 'n' Roll vertragen. Der Dok-Film «Through The Eyes Of Yuja» zeigt die verborgenen Seiten der Star-Pianistin.

«Zierliche Asiatin mit flinken Fingern. Eine Provokation mit ihrem Mini und diesen Stilettos». Yuja Wang weiss, wie man über sie spricht. Sie grinst und gibt noch ein paar weitere drauf. «Superschnell und ohne Tiefgang.» «Wer wirklich gut spielt, hat solche Klamotten nicht nötig.»

Die Klischees liegen wie überreife Früchte entlang des Weges, den Yuja Wang geht. Es ist ein Weg rund um die Welt, ein enorm erfolgreicher. Und die Klischees werden gierig aufgegriffen und wiedergekäut.

Ein bisschen Pfiff im Klassiktempel

Frau in Stilettos spielt am Flügel.
Legende: Im Dokumentarfilm ahnt man, wieviel Kraft es braucht, um Yuja Wangs Pensum zu schaffen. Ian Douglas

Wer die inzwischen 28-jährige Wahl-New-Yorkerin darauf anspricht, bekommt ähnlich klischierte Antworten: Die Wahrheit sei kompliziert. Die Leute hätten keine Ahnung, wer sie wirklich sei. Lange Kleider könne sie immer noch tragen, wenn sie 40 sei (also uralt?). Etwas Pfiff schade der Klassikszene nicht. Das Publikum müsse zwischendurch mal aufgerüttelt werden. Kein Zufall, sieht sie auch in ihrer Zürcher Prokofieff-Performance an der Seite von Dirigent Lionel Bringuier viel Rock 'n' roll.

Eine hübsche Szene danach im Foyer der Tonhalle: Nach diesem ersten Konzert im September als «Artist in residence» tritt sie knapp geschürzt wie auf dem Set eines Pop-Clip-Drehs ihren Fans gegenüber, signiert ihre CD, scheinbar ungerührt, obwohl sie wissen muss, wie sehr ihr Outfit den bürgerlichen Musikfan irritiert. Wie eine Rihanna, die sich in den Klassiktempel verirrt hat. Rihanna findet sie übrigens super.

Sendehinweis

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Der Film «Through the eyes of Yuja» wird ausgestrahlt am Sonntag, den 22.03.2015 um 11:55 Uhr auf SRF 1.

Wiederholungen:

  • Sonntag, 22. Februar 2015, 23:15 Uhr, SRF 1
  • Dienstag, 24. Februar 2015, 12:55 Uhr, SRF info
  • Samstag, 28. Februar 2015, 9:50 Uhr, SRF 1

In Träume versinken

Die überzeugende Antwort auf die Frage nach der wahren Yuja gibt sie immer noch im Konzertsaal. Konzentriert bis zur Selbstvergessenheit, mit einer traumwandlerischen Sicherheit rast sie durch Prestissimo-Passagen. Dann – gar nicht dem Klischee gemäss – tastet sie sich durch eine lyrische Passage, dass man in Träume versinkt.

Das Publikum springt auf, Ovationen, eine blitzartige, klappmesserähnliche Verbeugung mit der linken Hand am Flügel, und weg ist sie. Schon wieder auf dem nächsten Flug zum nächsten Konzert. Ihr Tablet mit dem Terminkalender ist ihr Boss, die wahre Heimat ist ihr iPod, darauf natürlich auch Rihanna, neben Prokofieff und Gershwin. Wenn sie einmal zuhause in New York ist, warten ganze Stapel von Partituren darauf, studiert zu werden. Auch die «Rhapsody in blue».

Wie ein früchtetragender Baum

«Through the eyes of Yuja» ist ein Versuch, der Künstlerin nahe zu kommen. Die Dokumentarfilmer Anaïs und Olivier Spiro haben das Vertrauen der Star-Pianistin gewonnen und konnten sie in Situationen beobachten, wo sonst Augenzeugen ausgesperrt bleiben.

Yuja Wang sinniert über ihr Leben als Pianistin, und man ahnt, wieviel Kraft es sie kostet, um dieses gnadenlose Konzertpensum, diese ganze Reiserei ohne Schaden zu überstehen. Aber eine Wahl hat sie nicht: «Bäume müssen Blüten oder Früchte tragen. Menschen müssen kreativ sein. Sonst gehen sie ein.»

Das Gefühl, heute mit den Musikern auf der Bühne zu stehen, die sie als Teenie immer bewunderte, ist das Grösste, das es für sie gibt. Gut möglich, dass man sie auch einmal zu den wahren Grossen zählen wird. Dafür braucht sie nicht einmal diese schwindelerregend hohen Stilettos. Einfach noch ein bisschen Zeit.

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