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Zehntes Album der Isländerin Björk gräbt tief und besingt das Leben der Pilze

Ihr letztes Album drehte sich um das Element Luft. Jetzt ist die isländische Sängerin Björk mit dem neuen Album «Fossora» zurück – einer Ode an die Erde.

«Fossora» ist eine frei erfundenes Wortspiel, das sich aus dem lateinischen Wort «fossore» ableitet. Björk übersetzt es selbst als «sie, die gräbt».

Jedes Album starte mit einem Gefühl. Diesmal sei es die Empfindung gewesen, auf der Erde zu landen und die Füsse in den Boden zu graben, schreibt die Sängerin auf Instagram.

Der Mensch als Pilz

«7 Milliarden haben den Covid-19-Lockdown zu Hause ausgeharrt – lange genug, um Wurzeln zu schlagen», so Björk. Die entstandenen Wurzeln seien aber nicht stoisch und schwer wie die von Bäumen. Björk beschreibt sie eher als sprudelnd, lustig und psychedelisch wie das Myzelium von Pilzen.

«Fossora ist mein Pilzalbum», sagt sie. Pilze stecken nicht nur in Titeln wie «Mycelia» oder «Fungal City», auch im Video zur ersten Single «Atopos» streift Björk durch eine pilzbewachsene Höhle.

Erdig, klangreich, komplex

Wenn man die Pilze wachsen hören könnte, so klingen sie für Björk wie Klarinetten, Flöten, Streichinstrumente und menschliche Stimmen. Immer wieder tauchen sie in den 13 Songs auf.

Tiefe Bässe und reiche Chorarrangements unterstreichen den erdigen Charakter des Albums. Ein Sextett von Bassklarinetten sowie Beats von DJ Kasimyn und des indonesischen Tanzduos Gabber Modus Operandi legen das Fundament für den Track «Atopos».

Weiter finden auch Beiträge der Musikerinnen und Musiker von Serpentwithfeet und von Emilie Nicolas einen Platz auf «Fossora». Die Stücke «Mycelia» und «Trölla» kommen gar ganz ohne Worte und Björks Leadstimme aus. Sie verkörpern den Reichtum an Klängen, die im Album stecken. Ein Reichtum, der sich erst nach mehrmaligem Hören richtig offenbart.

Nachwuchs singt mit

Neben namhaften Produzenten und Musikerinnen haben auch Björks Kinder Ísadóra und Sindri massgeblich am Album «Fossora» mitgearbeitet. Beide sind auch sängerisch zu hören.

Eine Art Rückbesinnung und familiäre Nähe zieht sich durch alle Stücke. Kein Zufall: Björk sagte in einem Interview mit dem englischen «Guardian», sie habe, seit sie 16 war, noch nie so viel Zeit zu Hause verbracht wie während des Lockdowns.

Die Seele zieht davon

Die Songs «Sorrowful Soil» und «Ancestress» sind Björks verstorbener Mutter Hildur gewidmet. «20 Jahre lang konnte ich nicht an Beerdigungen gehen. Wahrscheinlich hatte ich nach tausend Konzerten eine starke Vorstellung davon, wie ein Ritual zu sein hat», sagt sie dazu.

«Beerdigungen sollten für mich draussen stattfinden. Wenn die Seele davonzieht, braucht sie Platz, um gigantisch zu werden, wenn sie mit den Elementen verschmilzt», schreibt Björk zum Video-Release von «Ancestress».

Darin zieht sie mit einem Trauermarsch aus Tänzerinnen und Perkussionisten durch Islands Landschaft und begleitet die letzten Stunden eines Menschenlebens.

Die Hoffnung als Muskel

Die persönliche Nähe in ihren Songs ist nicht neu für Björk. Die Sängerin hat schon immer seelische Abgründe thematisiert. Frisch und ungehört ist die Wärme, mit der sie an die Menschlichkeit appelliert.

In «Atopos» besingt sie die Hoffnung als Muskel, der uns verbindet. Und in «Her Mother’s House» vergleicht Björk das Elternhaus mit der Innenausstattung des Herzens einer Mutter.

«Fossora» erinnert uns daran, dass wir Teil eines grossen Ganzen sind. Die Menschen streben danach, miteinander zu verwachsen. Genauso wie Pilze.

Hinweis

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«Fossora» von Björk ist am 30.9. bei One Little Independent Records erschienen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 30.09.2022, 17:20 Uhr

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