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Zu Strawinskys 50. Todestag Igor Strawinskys Tonspur führt bis nach Hollywood

Ohne seine Musik würde Hollywood heute anders tönen: Strawinskys Rhythmen sind revolutionär und prägen den Film.

Wer Igor Strawinsky sagt, denkt nicht an Hollywood. Strawinsky verbindet man mit Paris. Hier feiert er zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Ballettwerken wie «Le Sacre du Printemps» Erfolge und sorgt für Skandale.

Als Igor Strawinsky 1939 US-amerikanischen Boden betritt, liegt das bereits weit zurück. In Europa ist gerade der Zweite Weltkrieg ausgebrochen. Und: Innerhalb von nur einem halben Jahr sind Strawinskys Frau, seine älteste Tochter und seine Mutter verstorben. Der bedeutendste zeitgenössische Komponist will noch einmal ganz neu anfangen.

Hollywood lockt ihn als «neues Paris» mit den besten Aussichten auf noch grösseren Ruhm. Das neue Medium Film ist für Strawinsky auch als Kunstform interessant: «Ihn begeistert die Vorstellung, dass die Musik im Film eine ähnliche Rolle einnehmen könnte wie im Ballett. Ihm ging es um die Einheit von Musik und bewegtem Bild», sagt die Musik- und Theaterwissenschaftlerin Irene Kletschke von der Universität der Künste Berlin.

Am Anfang war Disneys «Fantasia»

Dieses Prinzip verfolgt auch Walt Disney mit seinem abendfüllenden Animationsfilm «Fantasia» (1940). Neben Werken von Bach oder Beethoven soll Strawinskys «Sacre» eine der Trickfilm-Szenen bebildern.

Durch «Fantasia» wird Strawinsky einem neuen und breiten Publikum bekannt. Bis heute ist sein Einfluss auf nachfolgende Filmschaffende unbestritten.

«Star Wars»-Komponist John Williams bedient sich recht offensichtlich bei Igor Strawinsky. Robert Altman, Martin Scorsese, Woody Allen und viele andere haben seine Musik für ihre Filme verwendet.

«Strawinskys Tonsprache ist unglaublich expressiv. Sie besticht durch dominante Rhythmen und eine Harmonik, die immer noch revolutionär ist», sagt Irene Kletschke. Das seien Dinge, die den Sound von Filmmusik auch heute noch prägten.

Strawinsky passte nicht nach Hollywood – aber er prägte es

Schon zu Lebzeiten versuchen viele Studio-Bosse, den berühmten Komponisten für ihre Filmproduktionen zu gewinnen. So soll Strawinsky 1942/43 die Musik zu zwei Propaganda-Kriegsfilmen komponieren.

Als 20th Century Fox 1943 «The Song Of Bernadette» von Franz Werfel verfilmen will, scheint Igor Strawinsky der perfekte Komponist für das prestigeträchtiges Projekt zu sein . Er komponiert auch die Musik für die genannten Filmprojekte - nur wird keine davon je verwendet.

«Igor Strawinsky passte als Künstlerpersönlichkeit nicht in das kommerzielle Hollywood-Studio-System», sagt Irene Kletschke. Er hatte hohe Honorar-Vorstellungen und erbat teilweise eine Zeit von einem Jahr, um eine Filmkomposition zu schreiben.

«Das waren Zeitrahmen, in denen die Studios nicht funktionierten. Das musste viel schneller gehen, möglichst in ein bis zwei Wochen», so Kletschke.

Er kam und blieb

Seine anfängliche Begeisterung für die Filmmusik weicht in den 1940er-Jahren einer Desillusionierung, so Irene Kletschke: «Hollywood war vermutlich eine Enttäuschung für ihn. Aber das Leben in Hollywood als Stadtteil der Kulturmetropole Los Angeles war bestimmt unheimlich spannend.»

Auch nach Kriegsende bleibt Strawinsky in Hollywood. Über 30 Jahre lang und bis kurz vor seinem Tod lebt er hier mit seiner zweiten Frau. 1960 wird Igor Strawinsky sogar mit einem Stern auf dem «Walk of Fame» verewigt.

Er habe sein Leben lang gerne die Rolle des Kosmopoliten und Grandseigneurs gespielt, sagt Irene Kletschke. «Strawinsky steht wie kein anderer Vertreter der Neuen Musik für Glamour und Aufregung. Es passt, dass er diesen Stern bekommen hat.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 6.4.2021, 09:03 Uhr

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