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Zu Unrecht unbekannt Die «Alpenmusik» des Schweizer Komponisten Joseph Lauber

Sechs Sinfonien hat er geschrieben. Diese Partituren schlummerten 100 Jahre lang in einer Bibliothek in Lausanne. Jetzt wird der Sinfoniker Joseph Lauber wiederentdeckt. Zu Recht.

Die Schweiz bringt nicht nur heute Komponisten internationalen Formats hervor. Mit Joseph Lauber, geboren 1864, wird zurzeit ein Komponist wiederentdeckt, dessen Musik den Strömungen seiner Zeit durchaus gewachsen war.

Lauber blieb mit seinen Kompositionen stilistisch traditionell, er schrieb keine Avantgardemusik. Das Schicksal nicht weniger solcher Komponisten ist es, von der Gegenwart heute ignoriert zu werden. Zu konventionell, zu wenig innovativ. So war es auch Lauber ergangen – bis jetzt.

Laubers Sinfonien als Welt-Ersteinspielung

Kaspar Zehnder, Leiter des Sinfonieorchester Biel Solothurn, will nun Laubers gesamtes sinfonisches Werk mit seinem Orchester aufnehmen. Als Welt-Ersteinspielung.

Zwei Männer unterhalten sich.
Legende: Joseph Lauber (l.) mit seinem bedeutendsten Schüler Frank Martin, 1942. Lauber hatte ihm während sechs Jahren umfassenden Privatunterricht gegeben. Keystone / PHOTOPRESS-ARCHIV

Joseph Laubers Sinfonien liegen in der Universitätsbibliothek Lausanne. «Lauber hat sich zum Komponieren immer in die Sommerfrische zurückgezogen», sagt Dirigent Zehnder.

Auf einer Alp im Wallis bei Martigny sind so in nur zwei Jahren ganze sechs Sinfonien entstanden. «Wenn man die Datierungen anschaut, die Lauber unter seine Sinfonien geschrieben hat, sieht man, dass es in jener Zeit, Ende des 19. Jahrhunderts, förmlich aus ihm herausgesprudelt hat.»

Das Erhabene der Alpen

Die Vorbilder Laubers – die deutsche Spätromantik in München, in Paris der beginnende Impressionismus – drücken in seiner Musik durch. Aber nur teilweise. «Man merkt», so Zehnder, «dass sich in diesen Sommern im Waadtland bei Lauber etwas Eigenes durchzusetzen beginnt.»

Lauber habe eine Art «Alpenmusik» geschaffen, was vor allem in der ersten Sinfonie ganz klar zum Tragen komme. «Man hört in dieser Sinfonie das Erhabene der Alpen, vielleicht sogar so etwas wie einen pantheistischen Ansatz», sagt Zehnder.

Eine erhabene Berglandschaft mit Wolken.
Legende: Joseph Lauber zog sich in den Sommermonaten gern auf Les Plans sur Bex, oberhalb von Martigny, zurück zum Komponieren, zum Wandern und Bergsteigen. Keystone / ANTHONY ANEX

Zu Unrecht unbekannt

Die ersten Aufnahmen der Sinfonien wurden jetzt im Juni in Bern gemacht. Im September sollen sie fortgesetzt werden. Die CD mit Laubers Sinfonien Nr. 1 und 2 erscheint voraussichtlich diesen Herbst beim Label Fonogramm. Für 2021 sind zwei weitere Lauber-CDs geplant.

Die Aufnahmen werden zeigen, dass man die Kompositionen dieser Schweizer Musikgrösse zu Unrecht so lange im Archiv hat schlummern lassen.

Kurzbiografie von Joseph Lauber

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Joseph Lauber, 1864 in Luzern geboren, wuchs in der Westschweiz auf.

Unterstützt durch den Mäzen Carl Russ-Suchard konnte der junge Musiker in Zürich studieren und wurde dort vor allem von Friedrich Hegar, dem Gründer des Zürcher Konservatoriums, gefördert.

Dieser führte ihn in der Tonhalle ein, stellte ihn Johannes Brahms vor, und schickte ihn zur Weiterbildung zu dem bedeutenden Spätromantiker Joseph Rheinberger nach München. Lauber studierte hier in derselben Klasse mit Richard Strauss.

Später ging er nach Paris, um dort in der Klasse von Jules Massenet Komposition zu studieren. Zurück in der Schweiz wurde Lauber Musikprofessor in Zürich und schliesslich in Genf.

Joseph Lauber schrieb ein umfangsreiches Werk. 200 Nummern umfasst sein Katalog. Kammermusik, eine Oper und ganze sechs Sinfonien. Das ist aussergewöhnlich, denn diese Sinfonien sind keineswegs leichtfüssige Gelegenheitswerke. Lauber konnte hier mit seinen Zeitgenossen mithalten.

Joseph Lauber starb 1952 in Genf.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 12.06.2020, 7:20 Uhr

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