Wenn Bernard Herrmann dirigierte, konnte es auch mal laut werden – nicht nur musikalisch. Bei den Aufnahmen zu «Taxi Driver» feuerte er den Schlagzeuger so an, dass er ihm neue Schlegel versprach, falls die alten zu Bruch gingen. Dieser Ausbruch ist mehr als eine Anekdote: Er zeigt den kompromisslosen Musiker, der den Zeitgeist stets verachtet hat. «Ich schreibe keine Popmusik», bellte er einst Alfred Hitchcock entgegen – und blieb sich treu.
Vom Radio zum Kino
Bernard Herrmann, 1911 in New York als Sohn russisch-jüdischer Emigranten geboren, begann seine Laufbahn beim Rundfunk und prägte ab 1934 als Dirigent und Komponist des CBS Symphony Orchestra einen klaren Orchesterklang.
In zahllosen Hörspielmusiken experimentierte er mit Klangfarben und setzte ungewöhnliche Instrumentenkombinationen ein – etwa in der experimentellen Radioserie «The Columbia Workshop» (1936), wo Theremin-Wimmern, Harfen und Saxophone zu neuartigen Klangräumen verschmolzen.
Zusammenarbeit mit Orson Welles
Eine entscheidende künstlerische Partnerschaft verband ihn mit Orson Welles: Ihre Zusammenarbeit für «Citizen Kane» (1941) wurde legendär, denn Herrmann verlieh dem Film mit seiner radikal modernen Partitur eine unsichtbare dramaturgische Struktur.
«Die Aufgabe der Musik besteht darin, diese einzelnen Teile zu einem Ganzen zu verbinden», erklärte er – und schuf damit ein neues Verständnis von Filmmusik, das nicht mehr bloss begleitete, sondern erzählte.
Der Mann an Hitchcocks Seite
In den 1950er- und 60er-Jahren war Herrmann einer der prägenden Klangarchitekten des Kinos. Für Alfred Hitchcock schrieb er Partituren, die Filmgeschichte machten: «Vertigo», «North by Northwest» und «Psycho». Die kreischenden Streicher aus der Duschszene wurden zum filmmusikalischen Inbegriff des Schreckens – ein Klang, der den Horrorfilm für Jahrzehnte prägte.
Herrmann verstand Musik nie als Beiwerk, sondern als zentralen Kraftpunkt eines Filmes: «Hitchcock hat seine Filme zu 60 Prozent fertiggestellt. Den Rest habe ich besorgt.» Sein Ton war unverwechselbar – dunkel, brodelnd und romantisch bis ins Mark. 1966 kam es bei «Torn Curtain» zum Bruch: Hitchcock wollte gefällige Musik, Herrmann verweigerte sich. Die Zusammenarbeit war beendet.
Leidenschaft auf dem Podium
Weniger bekannt ist Herrmanns Arbeit als Dirigent. In den 1960er-Jahren leitete er in London renommierte Klangkörper wie das Philharmonia und das London Symphony Orchestra. Auf seinen Programmen standen selten gespielte Werke von Gustav Holst, Arthur Bliss und Charles Ives.
Er setzte eigene Kompositionen wie die Moby Dick-Kantate oder For the Fallen durch und prägte dabei einen kompromisslosen Stil: klare Konturen und kompromisslose Intensität bis an die Schmerzgrenze. Musiker beschrieben ihn als fordernd, brillant – und gefürchtet wegen seiner ruppigen Umgangsformen.
Musik ohne Kompromisse
Bernard Herrmann polarisierte. Als Komponist experimentierte er mit Klangfarben, Instrumentationen und neuen Technologien – von kreischenden Streichern bis zu Orgelgewittern. Kurz vor seinem Tod leitete er die Aufnahmen zu Martin Scorseses «Taxi Driver».
Einen Tag nach der letzten Session starb er, 64-jährig, im Schlaf. «Das Ding könnt ihr mir an meinen Sarg stecken, dann weiss ich immer, wie spät es ist», witzelte er über eine neue Digitaluhr – als hätte er geahnt, dass seine Musik die Zeit überdauern würde.