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Zum Tod von Charlie Watts Bum Zäck Bum Zäck und dreimal Zzz

Dass er lieber Jazz spielte als Rock, dass er als Snob galt und sich gut kleidete, dass er kein Handy besass und dass er Mick Jagger einmal eine reingeknallt hat – all das ist vielen bekannt. Warum er aber so groovte wie er groovte, wissen nur wenige.

Beobachtete man Charlie Watts beim Spielen, so fielen ein paar merkwürdige Dinge auf: Sein Kopf war weit nach links gedreht, die rechte Schulter etwas hochgezogen, und bei jedem Snare-Schlag fiel er fast vom Stuhl.

Mann mit weissem Haar am Schlagzeug.
Legende: Watts bastelte sich als Kind aus einem alten Banjo sein erstes Schlagzeug – es war der Beginn einer jahrzehntelangen Karriere mit diversen Jazz-Formationen und eben auch den Rolling Stones. Getty Images

Sah nicht locker aus, war es aber

Lockerheit geht anders, war man versucht zu sagen, und trotzdem kann ich versichern, dass Charlie Watts der lockerste Schlagzeuger der Welt war, sonst hätte er diesen Groove gar nicht hinbekommen.

Nachrichtenmeldung

Schon als Typ war er locker. Ein Freund von mir hat ihn kennengelernt. Der kann das bestätigen.

Das war so: Dieser Freund von mir fuhr vor Jahren mit einem weiteren Freund nach England. Sie reisten durchs Land und kamen auch bei so einem Pferde-Tralala vorbei. So was für ganz Reiche, wo die Queen auch ist, und alle tragen Hüte. Dort setzten sich die beiden in ein Pub und tranken ein Bier an der Bar.

Der einsame Musiker in der Ecke

Der Freund von meinem Freund, ein grosser Musikbanause und noch grösserer Menschenfreund, entdeckte in der Ecke des Pubs einen Gentleman im Dreiteiler, der ihn dauerte, weil er so alleine war. Er ging zu ihm rüber und sprach ihn an.

Ob er denn auch so ein Rösseler sei, wollte er wissen, doch der andere sagte, nein, nein, seine Frau sei mehr «into horses». Was er denn so mache beruflich. Musiker sei er, er spiele Schlagzeug in einer Band. Soso.

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Der Freund meines Freundes war zufrieden und ging zurück zur Bar. Stell dir vor, sagte er, ein Musiker ist das, und sitzt hier rum unter all den stinkreichen Leuten. Hat wohl gut geheiratet.

Mein Freund, ein grosser Stones-Fan, sass derweil an der Bar und biss sich in die Lederjacke. Der Gentleman aber blieb in seiner Ecke sitzen, grinste rüber und amüsierte sich königlich.

Bum Zäck Bum Zäck und dreimal Zzz

Aber zurück zum Groove: Lockerheit ist die eine Sache. Die andere ist diese unerwartete und irritierende Handbewegung. Und das ist der Trick: Normalerweise schlägt ein Rockschlagzeuger viermal auf die Hi-Hat, während er je einmal auf die Bass- und auf die Snaredrum haut. Das gibt diesen typischen Rockbeat.

Mann in Hemd und Weste schaut über den Rand seiner Sonnenbrille.
Legende: Charlie Watts war nicht so laut, wie seine Kollegen bei den Rolling Stones – aber nicht weniger umtriebig. Getty Images

Oder für Nichtschlagzeuger: Man spielt Bum Zäck Bum Zäck und pro Bum Zäck viermal Zzz. Normalerweise. Nicht so Charlie Watts. Der spielte nur dreimal Zzz und machte dafür sein Zäck allein.

Oder für Schlagzeuger: Charlie Watts liess jeden dritten und siebten Hi-Hat-Schlag im Takt aus und spielte den Schlag auf die Snaredrum solo. Dadurch kommt die Snaredrum besser raus, klingt satter und prägnanter, und es groovt mehr. Es ist eben nicht die Stimme, die den Sound einer Band definiert. Es ist die Snaredrum.

Das wusste Charlie Watts. Und die Herren Jagger, Richards und Wood hätten ihm auf den Knien dafür danken sollen.

1982 hab ich ihn erwischt

Mir ist dieser Trick auf der 82er-Tournee aufgefallen. Und zwar im dritten Song des Abends, bei «Let’s Spend the Night Together». Gleich am nächsten Tag probierte ich es aus. Es ging. Und klang viel besser. Und seither mach ich's nur noch so.

Was ich allerdings bis heute nicht kann, ist dieses Fast-vom-Stuhl-Fallen. Wahrscheinlich ist auch das der Grund dafür, dass es bei mir nicht so groovt wie bei Charlie Watts.

Radio SRF 1, Nachrichten, 24.08.2021, 19:00 Uhr

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