Eine kleine Szene in der Bar eines St. Moritzer Grand Hotels illustriert, mit welcher Spiellust Chick Corea als Improvisator unterwegs war: Als er 2013 nach einem fantastischen Konzert am Festival da Jazz in der Hotel-Bar etwas essen wollte, bemerkte ihn das anwesende Publikum, aber auch der Bar-Pianist. Aus einem Reflex heraus spielte dieser Coreas berühmtestes Thema «Spain».
Alle Anwesenden waren gespannt auf Coreas Reaktion. Dieser dinierte seelenruhig und ging erst danach zum Kollegen am Bar-Piano. Er bedankte sich für den Gruss, um dann vierhändig mit ihm über «Autumn Leaves» zu improvisieren.
Eigene Sprache
Dieser intime Rahmen war Chick Coreas bevorzugtes Spielfeld. Er wusste genau, wo seine Musik, der Jazz, herkommt. Dort erlebte er seine Helden – Pianisten wie Bud Powell und Thelonious Monk.
In diesem Ambiente entwickelte Corea seine ganz persönliche Sprache. Sie ist so markant, dass ihn nicht nur Kenner schon nach wenigen Tönen im Blindtest heraushören – eine Qualität, die für Jazzmusikerinnen und -musiker essenziell ist.
Mozart und Beethoven
Andererseits hatte Chick Corea immer auch ein Ohr für seine klassischen Helden, Mozart und Beethoven. Hier sprang er als Interpret quasi ins kalte Wasser, allerdings ohne auch nur annähernd die Wirkung zu erzielen, die er als Jazzpianist stets erreichte.
Nikolaus Harnoncourt und Friedrich Gulda nahmen in den frühen 1980er-Jahren mit ihm Mozarts Konzert für zwei Klaviere Es-Dur auf.
Groove und Sinnlichkeit
Mit seinen eigenen Kammermusik-Kompositionen und seinen Werken für Piano solo fand er hingegen einen ganz speziellen Ton mit dem Besten aus beiden Welten.
Seine «Lyric Suite for Sextet» für den Vibraphonisten Gary Burton, sich selbst und ein Streichquartett, ist eine gelungene Fusion von Groove und Klangsinnlichkeit. Sie hat viele Komponistinnen und Komponisten zu eigenen Werken inspiriert.
Unplugged und elektrisch
Als Pianist und Keyboarder prägte Chick Corea vor allem den Fusion-Jazz. Nachdem er 1970 die Band von Miles Davis verlassen hatte, gründete er mit Return To Forever eine Formation, die genau so stilbildend war wie diejenigen der anderen Tastenmänner aus dem Davis-Universum: Joe Zawinuls Weather Report oder Herbie Hancocks Headhunters.
Lange Zeit wurde Corea darauf fixiert, wusste sich aber immer wieder aus der sogenannten «Fusion-Falle» zu befreien – mit Solo-Auftritten am Flügel oder im akustischen Piano-Trio. Hier war er dann wieder da, wo er 1968 mit «Now He Sings, Now He Sobs» den Grundstein für seine Weltkarriere gelegt hatte.