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Ein Tablet, das ein 3D-Modell von Saydnaya zeigt.
Legende: Dem Schrecken nah: Per Mausklick kann man sich im Gefängnis von Saydnaya bewegen. Getty Images / Bildschirmaufnahme / Bildmontage

Netzwelt 3D-Modell führt durch eine Folterkammer von Assad

Unser Netzthema des Tages: Laut Bericht von «Amnesty International» sollen 17‘000 Menschen in syrischen Gefängnissen ums Leben gekommen sein: durch Folter und unmenschlichen Haftbedingungen. In einem 3D-Modell macht die Organisation ein bisher abgeschottetes Gefängnis zugänglich.

Worum geht’s?

Das Gefängnis von Saydnaya, nördlich von Damaskus, ist ein Schreckensort. Bisher abgeschottet von Journalisten und der Öffentlichkeit, bietet nun ein 3D-Modell von «Amnesty International» Zugang ins Gefängnis.

Aussagen von 65 Häftlingen, die Saydnaya überlebten, dienten dazu, das Gefängnis virtuell nachzubauen.

Die Gefangenen in Saydnaya lebten meist in Dunkelheit – ledlich das Gehör bot Orientierung. Ihr «akustisches Gedächtnis» wurde als Grundlage für das 3D-Modell genutzt. Dank einer Technik – «Echo Profiling» genannt – konnte eruiert werden, wie klein die Zellen und wie eng die Gänge sind.

Hierfür wurden den ehemaligen Gefangenen Klänge vorgespielt. Je nachdem, an welchen Klang sie sich erinnern konnten, konnten die Entwickler die räumlichen Dimensionen des Gefängnisses bestimmen.

Im Modell kann man sich per Mausklick durch das Gefängnis bewegen – nachvollziehen, wie sich die Insassen gefühlt haben. Auch Videos, in denen ehemalige Häftlingen über ihren Alltag sprechen, kann man sich auf der Website anschauen.

Screenshot

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Wir sprechen über aktuelle Geschichten und Debatten im Internet. Von Montag bis Donnerstag um 17.40 Uhr in der Rubrik «Screenshot» bei Radio SRF 2 Kultur .

Warum ist’s interessant?

Miterleben, statt aus der Ferne betrachten: Das 3D-Modell von Saydnaya reiht sich in eine Art von Berichtererstattung ein, bei der die Distanz der Zuschauer zu den Ereignissen sich ein Stück weit aufhebt.

Die Entwicklung moderner Technologien macht diese Distanz immer kleiner: Mithilfe eines 360-Grad-Videos kann man bereits in die verseuchte Zone Tschnerobyls eintreten – oder dank Virtual Reality an einer Demonstration mitlaufen . Dabei stellt sich die Frage, wo die Grenzen sind: Wann ist nah zu nah?

«Amnesty International» verfolgt jedoch mit seinem 3D-Modell ein klares Ziel: Die Organisation will die Unmenschlichkeit, die in dem Gefängnis herrscht, ans Licht bringen – und bewirken, dass die Gefängnisbetreiber bestraft werden und das Gefängnis geschlossen. Menschen, die sich die 3D-Animation anschauen, kann die Darstellung des Gefängnisses deshalb aus der Sicht von «Amnesty International» nicht nah genug gehen.

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