Die Computergames Pac-Man, Myst und Super Mario Bros. sind nicht nur Kult, sondern auch gesellschaftlich relevant: «Was früher ein Nischenprodukt war, ist heute ein Massenphänomen und rückt deshalb immer mehr in den kulturellen Fokus», sagt René Bauer, Dozent für Game Design an der Zürcher Hochschule der Künste.
Um Videospiele, deren Entwicklung und Relevanz erforschen zu können, muss man sie zusammentragen und archivieren – und das ist kompliziert. Die Interaktivität des Mediums ist eine Herausforderung. Während die Mona Lisa auch in 100 Jahren die Louvre-Besucher genau gleich anlächeln wird, lassen sich Videospiele nicht einfach hinter einer Panzerglaswand ausstellen.
«Spiele sind interaktiv, man kann viele Zugänge haben. Wenn ich zehn Minuten spiele, habe ich etwas ganz anderes gesehen, als nach nur fünf Minuten», sagt Bauer. «Deshalb kann man ein Spiel nicht einfach abfilmen oder abfotografieren.» Damit die Interaktivität erhalten bleibt, muss das Spiel also spielbar bleiben. Das geht nur mit der entsprechenden Hard- und Software – und damit fangen die Probleme an.
Software veraltet, Hardware geht kaputt
Technik entwickelt sich konstant weiter. Hardware veraltet, ebenso die Software. Betriebssysteme werden regelmässig aktualisiert, alte Versionen automatisch überschrieben. Ein Game-Archivar ist deshalb gezwungen, einen grossen Gerätepark anzulegen. René Bauer: «Wir haben rund 60 Konsolen in unserer Sammlung. Wir behalten von jedem Betriebssystem eine Version zurück, auf verschiedenen Geräten.»
Emulation vs. Original-Hardware
Jede der Konsolen ist in der Sammlung mit mindestens zwei Modellen vertreten, denn Hardware hat einen entscheidenden Nachteil: Sie geht kaputt. «Als wir eine Ausstellung über Spiele auf Floppy Disks vorbereiteten, mussten wir feststellen, dass rund 50 Prozent der Speichermedien kaputt waren. Die Spiele waren also verloren.»
Allerdings gibt es eine Alternative zur defekten Hardware: die Emulation. Man spielt das Spiel als Simulation auf einem anderen Gerät. Ein bekanntes Beispiel dazu ist das Mame-Projekt (Multiple Arcade Maschine Emulator), das alte Spielhallen-Klassiker wie Galaga oder Centipede auf dem heimischen PC zum Leben erweckt.
Doch Emulationen bleiben für die Forschung letztlich eine praktische Notlösung. Denn durch den Austausch von Hardware verliert man etwas Essentielles: die Spielsituation. Der kulturelle und soziale Hintergrund sowie die Art, wie man gespielt hat, geht dadurch verloren. «Das ist da der Kernpunkt: Darf man das vergessen oder nicht?», erklärt Bauer. Für ihn ist beides wichtig: «Bei den Simulationen sieht man, wie die Spielmechanismen funktionieren. Aber man sieht erst im Original, wie das Spiel damals eingebettet war und gespielt wurde.»
Wo sind all die Spiele hin?
Doch trotz Hardware-Gerätepark und Emulationen: Viele Videospiele sind bereits verloren gegangen, und weitere werden in Zukunft verschwinden. Nicht nur, weil genervte Entwickler ihre Erfolgsspiele einfach aus den App-Stores löschen ( R.I.P. Flappy Bird ), sondern auch, weil es bisher nur wenige institutionelle Sammlungen gibt, die die Spiele systematisch erfassen und archivieren.
Ein Beispiel ist das deutsche Computerspielemuseum in Berlin. Es eröffnete bereits 1997, die Sammlung umfasst bislang rund 22‘000 Computerspiele und Anwendungen.
Viele private Sammlungen
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In der Schweiz haben einige Spielzeugmuseen angefangen, sich kleinere Sammlungen von Videospielen anzuschaffen. Allerdings sind hierzulande die Spiele-Fans und -Liebhaber die Vorreiter auf dem Gebiet der Spiele-Archivierung: «Es gibt sehr viele private Sammlungen, die breit und gross sind, und bei denen sich die Sammler echte Mühe geben, Lücken zu füllen», sagt René Bauer. «Bei den grossen Institutionen in der Schweiz ist das Archivieren von Videospielen noch nicht angekommen – weil es kompliziert ist und weil wohl auch das Verständnis fehlt.»