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Eine junge Frau liest auf ihrem E-Reader.
Legende: Im Alltag sind wir ständig online. Dadurch wird auch das Streaming von E-Books immer attraktiver. Reuters

Netzwelt E-Book-Flatrates für Leseratten – wenig Mäuse für Autoren

E-Book-Flatrates, bei denen man für einen Pauschalpreis unzählige Bücher ausleihen kann, locken die Leser. Doch wie beim Musik-Streaming ist die Bezahlung der Urheber mickrig: 4 bis 5 Rappen pro Stream verdienen die Autoren. Doch die Buch-Flatrates kommen, auch gegen den Widerstand der Verlage.

E-Books kaufen ist teuer: Das neue Buch von Yasmina Reza «Glücklich die Glücklichen» beispielsweise kostet als Hardcover 28.90 Franken, das E-Book ist mit 17.50 rund 10 Franken billiger. Allerdings unterliegt das elektronische Buch dem sogenannten Digital Rights Management, hat also einen Kopierschutz. Anders als bei den gedruckten Büchern kann man ein gelesenes E-Book nicht verschenken, an Freunde ausleihen oder auf dem Flohmarkt weiterverkaufen.

«Viele Leser akzeptieren das nicht und greifen auf die Piratenportale zurück, wo sie E-Books kostenlos herunterladen. Das ist mittlerweile ein grosses Geschäft. 10 bis 15 Millionen Downloads pro Portal pro Monat sind keine Seltenheit», sagt Buchmarkt-Experte Holger Ehling.

Auf den ersten Blick klingen die E-Book-Flatrates sowohl für Leser wie auch Verlage verlockend: Streaming-Dienste, bei denen man für einen Pauschalpreis unzählige Bücher ausleihen kann, schaffen für den Leser ein erschwingliches Angebot, und bieten damit eine Alternative zu Piraterie-Plattformen. Die Erfahrung der Musik- und Filmindustrie zeigt: Dort, wo es ein Flatrate-Angebot gibt, haben die Piraten-Downloads massiv abgenommen.

Nur geringe Gewinne mit den Flatrates

Doch die Beispiele aus der Musikindustrie zeigen auch: Schwarze Zahlen werden mit solchen Flatrate-Modellen noch nicht geschrieben. Viele Musiker klagen zu Recht über eine zu geringe Entlohnung.

Ganz ähnlich sieht es im Buchmarkt aus: «Momentan springen bei einem E-Book-Stream ungefähr 4 bis 5 Rappen für den Autoren raus. Selbst wenn das Buch 100‘000 mal gestreamt werden würde, käme der Autor auf einen Erlös von 4000 Franken. Das ist natürlich nicht besonders viel», sagt Ehling.

Angesichts dieser ernüchternden Zahlen erstaunt es nicht, dass sich die Flatrate-Modelle für Bücher nur langsam vermehren. Auf dem deutschsprachigen Markt kann man die Flatrate-Anbieter heute an einer Hand abzählen. Die Ungewissheit, wie tragfähig so eine Flatrate sein kann, wiegt schwer. «Für die Verlage besteht im Moment das Problem, dass sie nicht wissen, wie sie zu ihrem Geld kommen. Diese Frage ist weder in den USA noch in Europa geklärt.»

Verlage sind weiterhin skeptisch

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Noch sind die Bücher-Flatrates in ihrer Titelauswahl sehr beschränkt. Viele Bücher, die man als E-Books kaufen kann, findet man im Ausleih-Angebot nicht: Die neusten Bestseller fehlen oft, populäre Klassiker findet man nur vereinzelt.

Selbst so namhafte Verlage wie Bertelsmann und Holtzbrinck tun sich mit ihrem eigenen Streaming-Angebot Skoobe schwer. Bücher von beliebten Autoren wie John Irving oder Haruki Murakami sucht man beispielsweise vergebens. «Selbst der eigene Dienst wird von den Verlagen nicht wirklich beliefert», sagt Ehling.

Skoobe ist einer der wenigen deutschen Streaming-Dienste und bietet verschiedene Abomodelle für 10, 15 oder 20 Euro im Monat an. Hier gilt wie bei allen Flatrates: Man muss Internetzugang haben, um das Buch lesen zu können. Dank W-Lan wird das zuhause auf der Couch kein Problem sein, im Zugabteil oder in den Ferien am Strand allerdings schon. Doch hier greift die Monetarisierung der Flatrate: Wer bereit ist mehr zu zahlen, dem ist auch eine Offlinenutzung von bis zu 30 Tagen erlaubt.

Bessere Bücher dank gläserner Leser?

Ein E-Book, dessen Text durch Werbe-Pop-Up-Fenster verdeckt wird.
Legende: Unzählige E-Books ganz legal gratis lesen? Möglich – dank Werbung. readfy.com

Doch Skoobe bekommt Konkurrenz: Der Anbieter Readfy will im Sommer 2014 mit einer kostenlosen Flatrate die Leser locken. Zehntausende Bücher kostenlos? Da gibt’s doch einen Haken. Richtig, und der heisst Werbung und Analyse von Nutzerdaten.

Einerseits will sich Readfy ganz klassisch durch eingeblendete Werbung finanzieren, andererseits will es Nutzerdaten sammeln: Wie viel man liest, welche Bücher man liest, wie lange man ein Buch liest und wann man ein Buch liest – und diese Daten wiederum an die Verlage verkaufen: «Neue, spannende Buchprojekte können sich so an den Vorlieben der Leser orientieren, was den Buchverkauf der Verlage und ihrer Autoren verbessert», werben die Readfy-Macher auf ihrer Homepage.

«Es geht immer um die Finanzierung solcher Modelle», sagt Ehling. «Bei Skoobe muss man ein Abo bezahlen, bei Readfy Werbung ertragen. Ich bezweifle allerdings, dass der Leser bereit ist, sich in seinem Lesefluss durch ein Pop-Up stören zu lassen, das ihn daran erinnert, dass er billig Joghurt, Milch oder Reis kaufen kann.»

Flatrate-Modelle werden sich durchsetzen

Trotzdem werde man auf Dauer um diese Flatrate-Modelle nicht herumkommen, ob das nun Musik, Film oder Bücher seien, so Ehling: «Es ist ein Modell, das unseren Nutzungsgewohnheiten entgegenkommt. Man ist ständig online und man will ständig zugreifen können, ohne grosse Abrechnungsprozesse.»

Der Trend geht also auch im Buchmarkt klar in Richtung Streaming-Modelle – welches Finanzierungsmodell sich durchsetzt, sei allerdings schwierig vorherzusagen, so Ehling: «Im Moment geht jeder mit der Schrotflinte in den Wald hinein, schiesst ins Unterholz und hofft, dass im Kugelhagel der Hase erlegt wird. Und die Kugel, die getroffen hat, die wird’s dann sein. Ob das dann für den Leser und den Autoren die sinnvollste Lösung ist, wird sich zeigen.»

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