«In der vergangenen Woche war es hier wärmer als an der Ostküste. Das hätte ich mal nicht erwartet.» Das war einer der leichteren Momente in einem langen Online-Interview mit den drei Protagonisten des Dokfilms «Citizenfour». Der Film gewann am Sonntagabend einen Oscar für den «besten Dokumentarfilm».
Macherin Laura Poitras und ihre beiden Stars Glenn Greenwald, Journalist, und Edward Snowden, NSA-Whistleblower, stellten sich den Fragen der Nutzer der Plattform «Reddit», kurz nach dem sie von der Oscar-Bühne gingen.
Ich werde mehr veröffentlichen.
«Ich plane weiteres Material der Dreharbeiten in Hongkong zu veröffentlichen», schrieb Macherin Laura Poitras. Das lässt aufhorchen. Denn in einem Hotelzimmer in Hongkong spielen einige der fesselndsten Szenen des Films. Dort trafen die Journalisten erstmals auf den Whistleblower Edward Snowden.
Stundenlange Interviews
Es war der Anfang des grössten Geheimdienstskandals der letzten Zeit. Die Enthüllungen des ehemaligen NSA- und CIA-Mitarbeiters Edward Snowden rüttelten am Glauben an Privatsphäre und demokratischen Beziehungen der Amerikaner wie kaum etwas zuvor.
«Am Tag, an dem wir Ed erstmals getroffen haben, hat Glenn ein langes Interview geführt (4-5 Stunden), das ausserordentlich ist. Ich habe ausserdem ein separates Interview mit Ed bezüglich technischer Fragen geführt.»
Ich hätte früher an die Öffentlichkeit treten sollen.
Die Oscar-Gewinnerin kündigte auch einen anderen Film an: «Ich habe ausserdem unglaubliches Material mit Julian Assange von Wikileaks, von dem wir im Schnittraum gemerkt haben, dass es ein separater Film werden muss.»
Snowden bereut nur eins
Die meisten Fragen im Online-Gespräch von gestern gingen an Edward Snowden. Was er bereue, wollte ein Nutzer wissen. «Ich hätte früher an die Öffentlichkeit treten sollen», antwortete Snowden.
«Hätte ich das etwas früher getan, wären die [Überwachungs-]Programme weniger verankert gewesen, und die, die sie missbrauchen, wären weniger an die Ausübung dieser Macht gewöhnt.»
Das ist ein Kampf von ‹Insidern gegen Aussenseiter›, nicht ‹Demokraten gegen Republikaner›.
Snowden war sich auch sicher, dass seine Enthüllungen wirklich etwas verändert haben. Mehr Verschlüsselung in einigen der erfolgreichsten Internet-Produkten beispielsweise. Aber vor allem hätten sie bei vielen Menschen ein neues Bewusstsein geschaffen. «Wenn du vor 2013 gesagt hättest, die NSA zeichne alle Telefonate auf oder der GCHQ [der britische Geheimdienst] überwache Anwälte und Journalisten, wärst du ein Verschwörungstheoretiker genannt worden. Diese Tage sind vorbei.»
Bloss nicht Hillary als Präsidentin
Journalist Greenwald antwortete besonders leidenschaftlich auf die Frage, wie Überwachung im US-Präsidenschaftswahlkampf nächstes Jahr zum Thema gemacht werden könne. Es brauche einen Ausscherer in der politischen Elite, sagte er.
Also bloss nicht Hillary Clinton, die als Hauptkandidatin der Demokraten gilt – und für Greenwald der Inbegriff der Elite ist, die geschlossen hinter den Überwachungsmassnahmen stehe. «Sie ist die ultimative Beschützerin der parteiübergreifenden Status-Quo-Korruption und wenn sie gegen einen [Standard-Republikaner] antritt, wird es keine Debatte geben.»
Ein blöder Witz, ein müdes Lächeln
Auch der Witz des Oscar-Moderators Neil Patrick Harris wurde zum Thema. Harris sagte nach dem Abgang von Greenwald und Poitras, dass Edward Snowden nicht hier sein könnte «for some treason», ein Wortspiel zwischen dem englischen Wort für «Grund» (reason) und «Verrat» (treason).
Während der Witz in der Online-Diskussion umstritten war – auch Greenwald fand ihn verharmlosend – nahm Snowden ihn ganz locker. «Wenn man sich so etwas nicht gefallen lassen kann, um seinem Land zu helfen, dann kümmert es einen einfach nicht genug.»