Ein Foto geht via Twitter um die Welt, es zeigt den Nahost-Konflikt. Die Perspektive ist ungewohnt, aufgenommen aus dem All. Man sieht goldgelbe Linien, die aussehen wie Blitze oder Sternschnuppen vor einem schwarzen Hintergrund: Raketen. Das Bild fasziniert – und gibt zu denken. Wie kann ein Kriegsbild so schön aussehen?
«Etwas, das ich noch nie gesehen habe»
«Mein traurigstes Foto», twitterte dazu @Astro_Alex . Alexander Gerst ist ein deutscher Astronaut der ESA. Aktuell schwebt er in der Raumfähre ISS rund 400 Kilometer über der Erde.
An dem Tag, an dem er das Foto von Gaza gemacht hat, befand sich Alexander Gerst in der Cupola, der Beobachtungsplattform der ISS. «Ich bemerkte plötzlich etwas, das ich vorher noch nie gesehen hatte», schrieb Gerst in seinem Blog am 25. Juli. «Lichtstreifen, die sich hin und zurück über die dunkle Erde bewegten, die ausserdem manchmal von orangenen Feuerbällen erleuchtet wurde. Ich nahm meine Kamera und machte einige Fotos, bevor ich schliesslich verstand, was ich eigentlich gesehen hatte und worüber wir gerade geflogen waren.»
Alltagsbilder von Austronauten
Als Astronaut hat Alexander Gerst eine einzigartige Sicht auf die Erde und teilt diese seit Mai 2014 mit mittlerweile 114‘000 Followern.
Seine Fotos aus dem All sind atemberaubend. So zeigt er etwa seine Sicht auf einen Fluss in Kasachstan, das Foto erinnert an ein Gemälde von Van Gogh. Oder er veröffentlicht ein Bild der Sahara, feuerrot. Und immer wieder den Mond: ganz klein, eine Fata Morgana atmosphärischer Lichtbrechung. Oder gross, grau und kalt.
Dazwischen sieht man den Astronauten und seine Kollegen bei der Arbeit : «Kommandant Swanson mischt Kolloide – Forschung für sichere Lebensmittel aber auch Plastik auf der Erde», twitterte er etwa am 14. Juli.
Alexander Gerst wendet sich auch direkt an seine Follower. So gratulierte er den Franzosen am 14. Juli mit einem Paris-Foto aus dem All , und den Deutschen zum WM-Sieg mit einem Bild, das sein Deutschland-Fussball-Shirt zeigt. Alexander Gerst macht das professionell – die Follower danken es ihm mit Kommentaren und Retweets.
«Space Oddity»: Der singende Kommandant
Alexander Gerst ist jedoch weder eine Ausnahme noch ein besonders internetaffiner Astronaut. Astronauten der Raumfahrtagenturen DLR, ESA und NASA twittern und bloggen alle, was das Zeug hält. Doch nur emotional berührende Geschichten schaffen es in die Herzen der Follower und in die Presse.
Vorbild ist der kanadische ISS-Kommandant Chris Hadfield : Mit der Coverversion des David-Bowie-Songs «Space Oddity» , gesungen am Abend vor seiner Rückkehr auf die Erde, landete der kanadische Astronaut im Mai 2013 einen YouTube-Hit und wurde im internationalen Fernsehen gezeigt.
Forschungsergebnisse sind wichtig, PR auch
Die Social-Media-Aktionen der Astronauten sind unterhaltsam und Öffentlichkeitsarbeit für die Raumfahrt . Alexander Gerst und seine Kollegen wurden darin geschult, wie PR auf Social Media funktioniert, und was bei den Lesern gut ankommt. Denn die Raumfahrt ist nach wie vor mit Steuergeldern finanziert.
Die Anzahl Twitter-Follower (über 100'000 pro Astronaut, über 7 Millionen der NASA) zeigt: Die Social-Media-Aktivitäten der Astronauten sind ein Erfolg. Fotos und Tweets bringen uns eine Welt näher, zu der wir sonst keinen Zugang haben: Das All, den Beruf des Astronauten. Und: Sie liefern einen ganz anderen Blick auf unsere Welt, der fasziniert, aber auch verstörend sein kann. Wie das Bild vom Gaza-Krieg.