Wir schreiben das Jahr 2047. Ich befinde mich in einem ominösen Unterwasser-Hotel. Ich spiele die Journalistin Julia Khourim und soll hier unsaubere Machenschaften aufdecken. Mein Auftraggeber spricht mir ins Ohr, gibt mir laufend neue Aufgaben. Die erste klingt reichlich simpel: Ich soll durch die Hotellobby zum Lift gehen.
Schritt für Schritt zum «Ping»
Nur: Ich kann absolut nichts sehen. Auf dem Handyschirm erscheinen nur eine Windrose und zwei Schuhsolen. Mit der Windrose kann ich meine Blick- und Hörrichtung bestimmen, mit den Schuhsohlen kann ich mich Schritt für Schritt durch den Raum bewegen.
Als Orientierung dient mir lediglich das «Ping», das der Lift in regelmässigen Abständen von sich gibt. Ich tappe im Dunkeln, versuche auszumachen, aus welcher Richtung das Geräusch in meinem Kopfhörer kommt. Dann gehe ich darauf zu, indem ich mit meinen Daumen abwechselnd auf die beiden Schuhsohlen auf dem Bildschirm tippe.
Das Hör-Spiel zum Hörspiel
Entwickelt wurde «Blowback – Die Suche» vom Radiosender Deutschlandfunk. Das Spiel gehört zu einem Hörspiel , einem 50-minütigen Science-Fiction-Krimi, in dem ein heftiger Kampf um die letzten Wasserreserven der Erde entbrannt ist. Katrin Moll von der Hörspielredaktion des Deutschlandfunks hat das Spiel-Konzept entwickelt.
Ganz neu ist die Idee nicht: Audiogames gibt es schon seit den 1970er-Jahren, auf Smartphones erreichten sie in den letzten Jahren grössere Beliebtheit. «Als ich davon hörte, dachte ich, da müssten wir unbedingt mitmachen», sagt Moll. Denn so könne eine Hörspiel-Redaktion das, was sie sonst auch tut, in einem neuen Medium ausprobieren: Eine Geschichte ausschliesslich über den Ton erzählen. «Wir wollten ein Audiogame machen, das den Fokus noch stärker auf die Figuren und die Geschichte legt».
Wo ist vorne, wo hinten?
Spielen kann man «Blowback – Die Suche» nur mit einem Kopfhörer. Damit man sie im Raum verorten kann, wurden die Klänge mit einem Kunstkopf aufgenommen. Das ist ein künstlicher Kopf, in dessen Gehörgängen Mikrofone angebracht sind. So soll das menschliche Hören imitiert werden.
Trotzdem gelingt es dem Spieler bei «Blowback» nicht so richtig, auszumachen, ob ein Ton von vorne oder hinten kommt. «Normalerweise nehmen wir dafür die Augen zu Hilfe», sagt Moll. Weil das im Spiel nicht geht, wird der Ton, der von hinten kommt, ein wenig gedämpft. Man kann im Spiel aber auch einfach das tun, was man auch im echten Leben intuitiv macht: Sich ein wenig zur Seite drehen und so feststellen, ob ein Ton von vorn oder hinten kommt.
Reduktion als Experiment
Die Reduktion aufs Hören ist für Spiele ungewöhnlich. Heute, da selbst Smartphones spektakuläre Grafiken auf den Bildschirm zaubern können, ist der Verzicht auf visuelle Elemente geradezu anachronistisch. «Blowback – Die Suche» kann deshalb als Experiment verstanden werden, als Versuch, eine ungewöhnliche Spielmechanik zu entwickeln.
Die Reduktion bringt eine starke Einschränkung der Möglichkeiten mit sich: Ausser Geräusche im Raum zu orten und auf sie zuzugehen, muss man in «Blowback – Die Suche» eigentlich nichts machen. Den Reiz des Spieles macht die ungewohnte Spielmechanik aus, dass man sich ganz auf sein Gehör verlassen muss. Für einmal zaubert einem kein kostspieliges Team von Grafikern und Programmieren spektakuläre Bilder vor die Augen, sondern man übernimmt das selbst – indem man die Bilder im eigenen Kopf entstehen lässt.