Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig. Anders gesagt: Was Europeana für die EU, ist neu Vallesiana für das Wallis. Eine Website für das Kulturgut einer Region. Europeana.eu sammelt seit sechs Jahren das kulturelle Erbe Europas (auch mit Schweizer Beteiligung). Nach diesem Vorbild hat das Wallis einen Zugang zum digitalisierten Kulturgut des Kantons geschaffen: Vallesiana.ch.
Es ist ein Schweizer Novum, dass man über eine einzelne Plattform sämtliche Galerien von Museen, Archiven oder Bibliotheken eines Kantons erreicht. Ein konsequenter Schritt in Zeiten, in denen Archive zunehmend digitalisiert werden. Bei Vallesiana findet man über 400’000 Fotos, Artikel, Dokumente, Filme oder Museumsobjekte vom Mittelalter bis heute. Aus Staatsarchiv, Mediathek und den Kantonsmuseen. Beim Vorbild Europeana sind es sogar rund 20 Millionen Dokumente.
Schuleschwänzen anno 1582
Europeana ist ungleich grösser, der Vergleich vielleicht vermessen. Allerdings braucht sich Vallesiana nicht zu verstecken: Die Seite wirkt optisch ansprechend und hochwertig. Sie ist übersichtlich gestaltet, aufgeräumt und hat so gar nichts vom altbackenen Mief, wie er Online-Verzeichnissen oft anhaftet.
Die Seite ist explizit auch für «Üsser-Schwiizer» – Nicht-Walliser – gedacht, zu denen ich gehöre. Also erwarte ich, dass die Seite mir einige Inhalte schmackhaft macht, bevor ich selbst ins Archiv hinabsteige.
Bis dato bietet bietet mir Vallesiana aber noch kaum ausgewählte Inhalte – immerhin ein «Dokument des Monats». Aktuell beispielsweise « Blau machen im 16. Jahrhundert », ein Faksimile von 1582 von Jakob Guntern, Sohn eines Landschreibers, über das Schuleschwänzen. Im Oktober war’s eine hübsche virtuelle Ausstellung zur Jagdsaison .
Auch hier zeigt ein Vergleich, wohin der Weg noch führen könnte: Europeana bietet regelmässig Archiv-Perlen, die sie in den sozialen Netzwerken verbreiten – etwa täglich ein Highlight auf Facebook. Sehenswert sind auch die Sonderseiten zu wichtigen Ereignissen, etwa dem Ersten Weltkrieg oder aktuell dem Mauerfall von 1989.
Irrwege und tote Links
Bei Vallesiana bin ich auf die Suche angewiesen. Diese funktioniert soweit gut, doch kann ich die Treffer leider erst im Nachhinein sortieren: nach Epoche, Personen, Thema oder Medium. Nützlich wäre, wenn ich die Suche von Anfang an einschränken könnte. Man ist sich heute etwas ausgefuchstere Suchfunktionen gewohnt.
Das Angebot ist erst ein paar Wochen alt und hat noch ein paar Kinderkrankheiten: tote Links oder dann und wann Übersetzungsfehler. Die Website ist in Französisch und Deutsch abrufbar. Daneben gibt's auch gröbere Mängel: Bis ich vom Suchergebnis beim konkreten Objekt lande, muss ich zu oft klicken, zu umständliche Umwege auf mich nehmen. Richtig enttäuscht werde ich, wenn ich Kunstwerke oder Museumsobjekte finden möchte. Ich erhalte zwar Suchergebnisse, will ich die Werke der Museen sehen, erhalte ich aber nichts ausser einer beschädigten Datei.
Ein Film von 1935, Fotos von 1894
Nun gut, was hat der Unkundige schliesslich bei Vallesiana gesucht und gefunden? Ich suche nach «Goms», da war ich zuletzt in den Winterferien. Resultat: 2500 Ergebnisse. Ich filtere die Ergebnisse nach Medium, suche nach Tondokumenten – und stosse auf « Die gute Botschaft » aus der Kirche Visp von Radio International (1992).
Ich suche nach «Langlauf» und stosse auf den Film « Skigebiet und Heumachen » von 1935. Über das Suchwort «Zermatt» (12’000 Treffer) lande ich bei schönen Fotos vom Gornergrat von 1894. Und schon steckt man knietief drin, im Walliser Kulturgut.