Ich stehe vor einem eisernen Tor , bereit für einen Spaziergang durch Mons. Dahinter wartet ein Mann in einem komischen Graskostüm mit Hund. Ich trete durch das Tor, gehe über einen grünen Grasteppich. Schwarzgekleidete Frauen, ebenfalls mit Hund, stehen Spalier. Ein paar Schritte weiter taucht eine Schönheitskönigin auf. «Mademoiselle Mons» steht auf ihrer Schärpe: Wir befinden uns mitten in « Street Review » – einem virtuellen Stadtrundgang durch Mons.
Mons 2.0
Mit Witz und Poesie will die diesjährige europäische Kulturhauptstadt der Welt zeigen: Mons ist eine moderne Stadt im Wandel. Umgesetzt haben das Projekt die französischen Aktionskünstler Ludovic Nobileau und Antonia Taddei. Sie haben die zehn Kilometer lange Strecke, die hauptsächlich die Innenstadt zeigt, kartografisch erfasst, Szenen konzipiert, zum Casting aufgerufen und an über 30 Tagen gefilmt. Mit Hunderten Monsiern, also Bürgern aus Mons, in den Haupt- und Nebenrollen.
Ich setze meinen Rundgang fort und treffe auf einen Monsier: einen Mann in weissem Anzug mit goldenem Bergarbeiter-Helm auf einem fliegenden Orientteppich. Um seinen Hals trägt er einen weinroten Schal mit der goldenen Aufschrift «Mister Hainaut». Der Mann lädt mich ein, ihm zu folgen. Ich biege hinter ihm in eine Strasse mit lauter weissen Engeln.
Weisse Engel lassen Federn
In «Street Review» trifft Vergangenheit auf Zukunft, Geschichte auf Legende. Das Künstlerduo arrangiert die Elemente zu einem überraschenden, oftmals auch irritierenden neuen Ganzen zusammen. Wie zum Beispiel der Bergmann: Im 19. Jahrhundert war der Kohleabbau eine wichtige Einnahmequelle von Mons. In «Street Review» wird das gepaart mit «Mister Hainaut» – dem Schönheitskönig der Stadt. Oder die Engel: Eine Legende besagt, dass weisse Engel im Ersten Weltkrieg die Engländer während der Schlacht bei Mons vor den Deutschen beschützt haben. In «Street Review» tauchen sie an allen Ecken auf und lassen konstant Federn.
Manchmal hat das Künstlerduo aber auch einfach nur Strassennamen wortwörtlich umgesetzt: In der Rue de la peine perdue (Strasse der verlorenen Liebesmüh) suchen Menschen mit Schildern nach verlorenen Gegenständen. In der Rue des Biches (Rehe) taucht plötzlich ein Reh aus dem Nebel auf.
Nur was für Insider
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«Street Review» präsentiert Mons tatsächlich erfrischend anders, witzig und skurril. Dass die Akteure keine Schauspieler sind, sondern Monsier, macht das Ganze nochmals sympathischer.
Inwiefern mir das Projekt die Stadt Mons tatsächlich näherbringt, bleibt fragwürdig. Wer die Stadt und ihre Geschichte nicht kennt, für den bleiben viele der Szenen einfach nur komisch. Leider fehlen weiterführende Informationen, die dem Ganzen mehr Tiefe verleihen würden.
Was ausserdem nervt: Oftmals verdecken Fünfecke, die auf der Karte die Szenen markieren, die Namen der Strassen. So bleibt für den ortsunkundigen User auch ein simpler Scherz über einen witzigen Strassennamen nicht mehr als eine surreale Aktion in den Gassen der Altstadt von Mons.