«Lange Rede. Kurzer Sinn. Kurze Rede. Langer Sinn.» So lautet eine der unzähligen Weisheiten, die es ins neue Büchlein von Eric Jarosinski geschafft haben. Bekannter als sein richtiger Name ist Jarosinskis Twitteraccount @NeinQuarterly .
Das «Nein» ist Programm. Auch der Titel des kürzlich erschienenen Buches lautet: «Nein. Ein Manifest.» «‹Nein› entspricht dem Geiste der Negation. Es geht darum, die Welt nicht so zu akzeptieren, wie sie ist, sondern sich seine Gedanken darüber zu machen, wie sie noch sein könnte», sagt Jarosinski.
Twitter dank Schaffenskrise
Geschriebenes und Gesagtes nicht einfach hinnehmen, sondern hinterfragen – so könnte man das Credo von Eric Jarosinski zusammenfassen. Dies war schon so, bevor er sich ganz dem Twittern verschrieb.
Jarosinski lehrte an der University of Pensylvania Philosophie und Germanistik. Als 40-jähriger Assistenzprofessor war er auf dem besten Weg zu einer akademischen Karriere. Kurz vor der Vollendung einer wissenschaftlichen Arbeit plagten ihn jedoch Schreibblockaden.
Diese Schaffenskrise ebnete den Weg für seine Twitterkarriere. «Gerade zu der Zeit habe ich Twitter entdeckt. Ich war davon anfangs nicht sehr beeindruckt. Aber dann habe ich gesehen, dass es da durchaus Möglichkeiten gibt. Ich war immer schon Fan von Kurztexten, Aphorismen. Dann bin ich auf die Idee gekommen, es selber zu versuchen», sagt Eric Jarosinski. «Aber ich hätte nie gedacht, dass ich dreieinhalb Jahre danach noch damit beschäftigt bin.»
«140 Zeichen sind perfekt für Aphorismen»
Heute nennt er sich selber Internet-Aphoristiker und hat knapp 120'000 Follower auf Twitter. Das Aufregende an diesem Kurznachrichtendienst sei, dass es keine Regeln gäbe, wie man ihn nutzen soll, schwärmt Jarosinski. Ausser natürlich, dass jeder Tweet nur 140 Zeichen haben darf. Für Jarosinski genau richtig, um pointierte Witze und Aphorismen über Philosophie, Kunst, Sprache und Literatur zu äussern.
Jarosinskis Tweets sind oft von nihilistischem Geist durchzogen, manchmal misanthropisch, dann aber wieder romantisch.
Jarosinskis Kritiker werfen ihm Schwarzmalerei vor. Er kontert: «Wenn ich wirklich nur Trübsal blasen würde, würde man keine Lust haben, das zu lesen. Ich hätte auch keine Lust, weiterzuschreiben.» Ihm geht es vielmehr darum, das Negative zu übertreiben. Das eigne sich sehr gut für das Absurde. Davon lebe die Komik, so Jarosinski. «Das ist eine Art realistische Absurdität. Das denkbare Absurde.»
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Die Pointe auf die Pointe
Auf seine denkbar absurden Tweets erhält er viele Reaktionen. Sie sind nicht immer positiv, man sei mit einem dicken Fell auf Twitter gut beraten, sagt Eric Jarosinski. Die unmittelbare Antwortfunktion in Sozialen Medien habe aber auch Vorteile: «Manchmal schreibt man einen kleinen Spruch oder Witz und jemand erwidert mit einer neuen Pointe. Ich mag es sehr, wenn diese neue Pointe viel besser ist als mein Tweet.»
«Nein. Ein Manifest.», die 130 Seiten lange Lektüre, liest sich nicht wie von Jarosinski erhofft in einem Rutsch. Doch zwischen hochstehenden Aphorismen und banalen Pointen findet sich immer wieder eine Perle.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 06.10.2015, 7:20 Uhr