Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Netzwelt Nicht erschrecken, aber alle Ihre Freunde sind beliebter als Sie

Weshalb Sie das Gefühl haben, Ihre Freunde seien beliebter als Sie, wieso Ihre Mitmenschen reicher und gesünder erscheinen – und wieso das alles stimmt: Das erklärt das «Friendship Paradox», ein – zugegeben – etwas deprimierendes, wissenschaftliches Phänomen.

Wissen Sie, wie viele Freunde Sie haben? Im realen Leben, oder auch auf Facebook. Wie viele Follower bei Twitter? Gut. Dann die nächste Frage: Wie viele Freunde haben Ihre Freunde? Wie viele Follower Ihre Follower? Nun, Sie brauchen nicht nachzuzählen – wir kennen die Antwort: Es sind mehr. Mehr als Sie haben.

Sorry, aber das behaupten nicht wir, das besagt das sogenannte «Friendship Paradox» – das «Freundschaftsparadox». Ein Stück Wissenschaft, das zweierlei schön aufzeigt: wie gnadenlos Mathematik sein kann und wie man etwas zu verstehen meint, das gleichzeitig höchst schleierhaft bleibt. Ein Paradox eben. Trotzdem hier ein Erklärungsversuch.

Lieber beliebte Freunde

Was zu beweisen war: die Formel des Paradoxes.
Legende: Was zu beweisen war: die Formel des Paradoxes. Bildmontage SRF

Das «Friendship Paradox» besagt, dass Ihre Freunde mehr Freunde haben als Sie. Immer, in jedem Netzwerk, auch in realen. Auch Ihre echten Freunde zählen ziemlich sicher auf einen grösseren Bekanntenkreis als Sie. Der Soziologe Scott Lauren Feld machte 1991 diese seltsame, ja äusserst paradoxe Entdeckung. Er untersuchte, wie viele Freunde jemand durchschnittlich hat. Dann schaute er, wie viele Freunde ebendiese Freunde haben. Und er stellte fest, dass die zweite Zahl jeweils grösser war. So verhält es sich mit jedem beliebigen Punkt im Netzwerk.

Einfach gesagt: Wir freunden uns lieber mit Menschen an, die beliebter sind als wir. Wir fühlen uns auf einer Party mehr zum umworbenen Gastgeber hingezogen als zu jenem, der alleine in der Ecke steht.

Eine wirre Theorie

Das Freundschaftsparadox ist eine ziemlich wirre Theorie, die sich mit der Struktur von Netzwerken erklären lässt: dem weitverzweigten Beziehungsgeflecht, mit exponentiellen Eigenschaften von Graphen und bewiesen durch mathematische Formeln.

Die Meisten von uns haben eine überschaubare Anzahl Freunde. Eine kleine Gruppe von Personen kennt aber richtig viele Leute. Und diese Minderheit erklärt das Paradox: Jene breit Vernetzten tauchen logischerweise häufiger zuvorderst in den Freundeslisten auf und erhöhen die Anzahl an Freundesfreunden. Mit der Folge, dass ich im Durchschnitt Freunde habe, die mehr Freunde haben als ich.

Die Selbstwahrnehmung leidet

Aber es wird noch brutaler, denn das Paradox reicht noch weiter. Wissenschafter griffen Scott Felds Theorie auf und untersuchten Netzwerke auf weitere Eigenschaften. Mit der niederschmetternden Erkenntnis: In der Regel sind meine Freunde auch reicher, gesünder und glücklicher als ich. Das «Generalised Friendship Paradox» besagt: Wenn ein Paradox aus einem Netzwerk resultiert, trifft das auf jede andere Eigenschaft im gleichen Netzwerk auch zu.

Einfach gesagt: Im Fitnesscenter treffe ich auf fittere Mitmenschen, weil sie ja auch häufiger da sind. Beim Coiffeur auf besser frisierte und so weiter. Müssig zu erwähnen, dass die Selbstwahrnehmung leiden kann, wenn man dauernd auf «bessere» Menschen trifft. Auch häufiger Facebook-Konsum kann mitunter deprimierende Folgen haben.

Was bleibt? Der tröstende Gedanke, dass wir unschuldig an all dem sind, dass wir eh nichts ändern können. Uns allen geht es gleich, so paradox das tönt. Und eine positive Nachricht: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem «Friendship Paradox» helfen Forschern, Epidemien besser vorherzusagen und letztlich ansteckende Krankheiten einzudämmen. Versuche zeigten, dass Personen mit den meisten Freunden sich leichter mit Grippe ansteckten.

Meistgelesene Artikel