Skeuomorphismus begegnet uns im Alltag an vielen Orten. Es ist die billige Spanplatte, die mit einer Folie überzogen ist, so dass ein Möbel wie aus edler Eiche geschreinert aussieht, oder auch der kleine Briefumschlag als Symbol für E-Mails.
Skeuomorphismus beschreibt also den Einsatz bestimmter Design-Elemente, die an ein anderes – oft älteres und daher vertrautes – Objekt erinnern, die aber für das neue Produkt eigentlich nicht nötig wären
Gerne wurde und wird Skeuomorphismus beim Design von Software eingesetzt: Der «Papierkorb» auf dem Desktop oder die Buchseiten, die sich im E-Book-Reader wie beim richtigen Buch beim Blättern biegen.
Apple macht Schluss mit dem Skeuomorphismus
Aber damit soll jetzt Schluss sein, wie vor kurzem die Firma Apple verlauten liess. Ausgerechnet Apple! Denn deren verstorbener Chef Steve Jobs war ein grosser Verfechter des Skeuomorphismus. Die Leder-Oberfläche des Kalenders iCal sei seine Idee gewesen, erzählt ein ehemaliger Apple-Designer : Sie sollte so wie die Innenverkleidung von Jobs Gulfstream-Jets aussehen: «Es gab damals sehr viel Diskussion unter den Designern deswegen. Die meisten fanden es furchtbar und vor allem peinlich.» Und nun verkündete also Apple Chef-Designer Jonathan Ive offiziell die Abkehr von Notizblättern mit unnötigen Linien, Spiralbindern und ähnlichem. Das alles ist, wie er findet, reiner Unsinn.
Intuitives versus einfaches Design?
Und damit entfacht Ive einen kleinen Glaubenskrieg. Die Verfechter des Skeuomorphismus betonen, wie sinnvoll dieses Design ist, um sich in der digitalen Welt zurecht zu finden. Gerade durch den Skeuomorphismus sei der Umgang intuitiv, oft auch spielerisch. Es leuchtet ein, den Abfall in einen Papierkorb zu werfen. Und wenn die digitale Kamera klickt, dann gibt uns dieses vertraute Geräusch die Sicherheit, dass ein Foto geschossen wurde.
Designer Ive hält jedoch dagegen. Er will einfacheres Design, das die Funktion betont und nicht unnötig mit Ornamenten verziert ist. Viele seiner Kollegen sind derselben Meinung. Es sei vor allem «visuelle Selbstbefriedigung», so der ehemalige Apple-Entwickler. «Es ist, als ob die Designer ihre Muskeln spielen lassen, um zu zeigen, wie perfekt sie ein physisches Objekt virtuell wiedergeben können. Aber wen interessiert's?»
Digital Natives vs. Digital Immigrants
Das langsame Verschwinden des Skeuomorphismus im Softwaredesign ist aber durchaus nachvollziehbar. Als die PCs und Macintoshs in den 1990er Jahren zur Massenware wurden, mussten sie den Schritt von der Realität in die virtuelle Welt für die Benutzer möglichst leicht machen – und schafften es mit simplen Designtricks im Interface. Es war für die neuen User einfach, sich zurecht zu finden: In den «Ordnen» konnte man Sachen ablegen, im «Papierkorb» Dokumente löschen.
Doch nun ist eine neue Generation an Nutzern herangewachsen, die Digital Natives. Für sie ist der Umgang mit Laptops, Smartphones und Tablets selbstverständlich. Ein virtueller Notizblock muss nicht mehr wie ein echter Notizblock aussehen. Skeuomorphismus verliert also seine Funktion – und ist mittlerweile oft nicht mehr als Retro-Design.
Überflüssig und unpraktisch
Viele Entwickler halten die Design-Elemente ausserdem für unpraktisch, da sie verhindern, dass sich die Benutzeroberfläche wirklich an neue Funktionen anpasst. Wenn Apple also den Tod des Skeuomorphismus verkündet, dann mag das eine neue Phase des Softwaredesigns einläuten. Verschwinden wird der Skeuomorphismus sicher nicht ganz. Es wird sich immer jemand finden, der selbst so abstruse Dinge toll findet wie das Auto, dessen Karosserie aussieht, als sei es mit Holzplanken verkleidet.