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Junge verkauft Schuhe am Strassenrand.
Legende: Macht er das freiwillig? Paschtunischer Jugendlicher beim Schuhverkauf in Quetta, Pakistan. Reuters/Naseer Ahmed

Netzwelt Und wie viele Sklaven arbeiten für Sie?

Am heutigen «Tag der Erde» ist es besonders angebracht, sich Gedanken zu machen, welche Anstrengungen auf diesem Planeten nötig sind, damit jemand seinen Lebensstil pflegen kann. Der US-amerikanische «Fair Trade Fund» hat zu diesem Zweck eine Website geschaffen – mit spannenden Einsichten.

«Slavery Footprint» heisst die Website des US-amerikanischen «Faire Trade Fund»: «Sklaverei-Fussabdruck», analog zum «ökologischen Fussabdruck», den Umweltorganisationen geschaffen haben.

Der Einstieg ins Thema «Sklaverei» erfolgt über ein Video, das in zwei Minuten drastisch visualisiert, wie Sklaverei heute abläuft: Junge Frauen werden mit Versprechungen umgarnt und aus ihrem sozialen Kontext herausgelockt, dann verprügelt, misshandelt und sogar vergewaltigt. Schliesslich landen sie in einem Bordell oder in «Sweat Shops», etwa in der Textilindustrie.

Sklaven-Befreiung auch heute

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Diese Sklavenbefreiung ist bitter nötig. 27 Millionen Menschen – also die Bevölkerungen von Australien und Neuseeland zusammengerechnet – leben laut der Website heute als Sklaven. «Vor 150 Jahren befreite Lincoln die Sklaven», heisst es auf der Website: «Er kann es wieder tun.»

Was hat das mit mir zu tun?

Nach der grafisch ansprechend gemachten Umfrage kann man eine böse Überraschung erleben, bei der Auswertung: Für mich selbst arbeiten laut dem «Slaveryfootprint» weltweit 40 Sklaven – obwohl ich ein moderater Konsument bin und ziemlich bewusst einkaufe. Mein Kaffeekonsum (aus handelsüblicher Produktionskette) und mein Penchant zu CDs und DVDs (mit den dazugehörenden Abspielgeräten) fallen da besonders ins Gewicht.

Die Umfrage erfasst das Verhalten hinsichtlich Ernährung, Inhalt des Toilettenschranks. Sie will wissen, wie viel Schmuck ich besitze, ob ich ein Auto und viele elektronische Geräte habe und die Zahl meiner Sportartikel und Kleidungsstücke. Zu jeder Artikelgruppe liefert die Website in Kürze erschreckende Informationen.

Das Elend der Welt

Bei der Frage «Haben Sie Kinder?», erfahre ich, dass in der Ziegelstein-Herstellung in Pakistan 250‘000 Kinder in totaler sozialer Isolation unter sehr schlechten Bedingungen arbeiten müssen.

Beim Thema «Ernährung» ist zu lesen, dass in der südostasiatischen Crevetten-Industrie Menschen Zwangsarbeit mit 20-Stunden-Tagen leisten. Wer nicht schnell und willig genug arbeitet, wird mit Gewalt bedroht oder sexuell misshandelt.

Beim Kapitel «Elektronik» heisst es, beim Abbau von Koltan, das in fast allen Natels und Smartphones drin ist, sei Sklavenarbeit die Regel. Ein Smartphone ohne Sklavenarbeit, das gebe es praktisch nicht.

1.4 Millionen Kinder arbeiten gezwungenermassen auf usbekischen Baumwollfeldern. Und so weiter.

Globale Brennpunkte

Nach der Umfrage lässt sich auf einer Weltkarte nachschauen, wo die Probleme besonders akut sind – und bei welchen Rohstoffen und Produkten. Bergbau, Landwirtschaft und Industrie sind genauso Schwerpunkte der Sklaverei wie die Prostitution.

Der Hintergrund dieser Sklavenarbeit ist wirtschaftlich: Armut und globales Ungleichgewicht drängen Menschen in die Abhängigkeit. Sie sind verschuldet, möchten ein besseres Leben – und werden durch Gewalt, Erpressung, Täuschung und Verschleppung versklavt.

Ansprechende Form

Trotz des Ernsts des Themas wirkt die Umfrage spielerisch: Frage 11 lautet etwa: «Wie oft haben Sie für Sex bezahlt?» Dazu muss man auf dem Bildschirm einen Reissverschluss öffnen. Ergebnis: Diese Frage braucht man nicht zu beantworten. Man erhält jedoch die Information, dass die Sexbranche weitgehend auf Gewalt, Täuschung und Zwang beruht. Man solle nicht zu diesen Missständen beitragen, indem man die Angebote der Sexindustrie wahrnimmt. Neu ist das nicht, wahr bleibt es trotzdem.

Was tun?

Die Website dient zum einen der Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten. Zum anderen integriert sie Social-Media-Werkzeuge. Das Wissen, das hier vermittelt wird, lässt sich per Mausklick weiterverbreiten, etwa an Facebook-Freunde und Twitter-Follower. Man kann spenden, sich Aktionsgruppen anschliessen oder Firmen anmailen, wie sie es denn halten mit den Arbeitsbedingungen in ihrer Produktion. Die Vorlage wird vom «Faire Trade Fund» mitgeliefert.

Natürlich ist die Website US-zentriert, aber zahlreiche der vorgeschlagenen Adressaten sind international tätige Konzerne. So international und global, wie es auch die Sklaverei ist.

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