Was haben Sportmeldungen, Wetterberichte und Börsennews gemeinsam? Man weiss, was man bekommt. Die Fakten ändern, doch die Meldungen wiederholen sich, Begriffe und Tonalität bleiben dieselben. Man kann von Routine sprechen.
Aus der jüngeren Geschichte wissen wir, dass Maschinen, später Computer, routinierte Abläufe effizienter und billiger leisten als Menschen. Das soll auch für den Journalismus gelten. Denn es geistert ein neues Wort durch die Branche: Roboterjournalismus. Die Roboter sind in diesem Fall Computerprogramme – Algorithmen.
Bis 2020 schreiben Roboter
Für das reine Informationsgeschäft wären keine Redaktoren mehr nötig. Das ist nicht etwa Zukunftsmusik – in den USA setzen Redaktionen schon jetzt erfolgreich auf Roboterjournalismus. Computer spucken automatisch Texte und Grafiken aus: Erdbebenmeldungen bei der «Los Angeles Times», Wirtschaftsnachrichten von « Forbes » oder eine virtuelle Verbrechenskarte . Und vielleicht bald ein Sportportal in Deutschland: Die Stuttgarter Agentur Aexea hat kürzlich ihren Roboter AX vorgestellt, der selbständig Sportberichte verfasst. Das tönt zwar noch hölzern, zeigt aber: Er kann es – und wird wohl noch viel lernen.
Lorenz Matzat, Datenjournalist und Softwareunternehmer in Berlin, wagt eine Prognose: Bis 2020 wird sich Roboterjournalismus auch hier etabliert haben. «Es wird sich noch zeigen müssen, ob sich hält, was versprochen wird. Auf jeden Fall muss man sich heute damit auseinandersetzen, weil das in den nächsten zwei, drei Jahren akut wird.»
Roboterjournalismus oder gar kein Journalismus
Noch nie wurden so viele Daten erhoben wie heute. Für Journalisten ist das eine schier unerschöpfliche Quelle. Naheliegend also, dass Maschinen dem Redaktor unter die Arme greifen: Daten oder soziale Netzwerke durchforsten, selektionieren, auswerten, vergleichen. Und dass sie die Resultate gleich in einem lesbaren Text oder in ansehnlichen Grafiken veranschaulichen. Ob Liveticker eines Fussballspiels oder ein Storify eines Ereignisses – Roboter können das. Natürlich wird es angestammten Journalisten Angst und Bange angesichts der effizienten neuen Konkurrenz. Doch sehen wir die Roboter als das, was sie sind: Recherchehilfen.
Überall wo Datenmengen gross, die Ansprüche an Texte jedoch klein sind, kann und wird sich Roboterjournalismus durchsetzen. Ben Welsh, Datenexperte bei der Los Angeles Times sagte einst: «Roboterjournalismus oder gar kein Journalismus.»
Softwaremaschinen ermöglichen in Zukunft personalisierte Texte: Artikel, zugeschnitten auf individuelle Interessen. Denn der Maschine ist es egal, ob sie einen oder 10‘000 verschiedene Texte schreibt – solange die Datenbasis stimmt. Auch das wird in den USA bereits erprobt – etwa für Nischensportarten, wo es sich kaum lohnt, einen Journalisten hinzuschicken. Der Computer übernimmt die Berichterstattung.
Ein Computer ersetzt keine Edelfeder
Ob Roboterjournalismus letztlich zu einem Stellenverlust im Journalismus führt, wird sich weisen. Im besten Fall nehmen uns Roboter keine Jobs weg, sondern unterstützen uns. Sie übernehmen Aufgaben, für die es auf vielen Redaktionen sowieso keine menschlichen Ressourcen gäbe – erledigen also mühsame Routinearbeit, während Journalisten ihrer wahren Berufung nachgehen können.
Nach heutigem Entwicklungsstand beherrschen Algorithmen keine qualitativ anspruchsvolle Texte, etwa Reportagen, Kommentare, Glossen oder Interviews. Gerade im Kulturjournalismus, der selten auf harten Fakten basiert und von Einschätzungen und ästhetischen Eindrücken lebt, wird es der Roboterjournalismus schwer haben. Roboter ersetzen also keine Edelfedern oder kompetente Kommentatoren. Das können sie nämlich nach heutigem Stand gar nicht. Lorenz Matzat sagt dazu: «Ein Feuilletonstück zu schreiben oder eine Besprechung eines Balletttanzes, das halte ich für Softwaremaschinen nicht für machbar – ausser im Experimentellen.»