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Computer als Komponist Eine Maschine meistert traditionelle Folk-Music

Forscher wollten wissen, ob eine Maschine komponieren kann – und was der Mensch davon hat.

In einem typischen Pub: Das Licht ist schummrig, die Luft riecht nach Whiskey und Bier. In einer Ecke sitzen Musiker um einen Tisch und spielen lüpfige Tänze – auswendig, analog und unverstärkt. Das ist Celtic Folk, wie ihn viele kennen und praktizieren. Eben typisch.

Zu den Personen

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Legende: zvg

Bob Sturm (links) ist Dozent für Digital Media an der Queen Mary Universität in London. Seit 5 Jahren spielt der Hobbymusiker Celtic Folk auf dem Akkordeon.

Oded Ben-Tal (rechts) ist Komponist und Dozent für Music Technology an der Kingston Universität in London. Sein Interesse gilt der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie.

Untypisch hingegen ist das Machine-Folk-Projekt der Wissenschaftler Bob Sturm und Oded Ben-Tal. Sie haben einer Maschine, genauer gesagt einer künstlichen Intelligenz, beigebracht, Celtic Folk-Stücke zu komponieren. Sogenannte Tunes.

Den Wissenschaftlern geht es mit ihrem Projekt nicht darum, den Menschen zu ersetzen: «Wir wollten herausfinden, wie Datenforschung und künstliche Intelligenz der Musikforschung sowie der Musikpraxis dienen können», sagt Computerwissenschaftler Sturm.

Folk für die Maschine

Ausgerechnet Celtic Folk stellte sich als geeigneter Musikstil für das Projekt heraus. Aus zwei Gründen: Die Tunes sind kurz und häufig wiederkehrende Tonarten, Rhythmen und Motive.

Für das Machine-Folk-Projekt wollten die Wissenschaftler mit notierter Musik arbeiten: «Man kann Musik so einfacher analysieren als bei akustischen Aufnahmen», erklärt Sturm.

Ein Grund mehr für die Forscher, mit Celtic Folk zu arbeiten: In der Online-Datenbank «The Session» sind bereits tausende Tunes erfasst. Als Notenmusik und in der sogenannten ABC-Notation.

ABC-Notation von «The Killavil».
Legende: Mit solchen Angaben lernte die Maschine zu komponieren: «The Killavil» ist ein Tanz im 6/8-Takt. Hier notiert in G-Dur. Screenshot/thesession.org

Die ABC-Notation enthält alle wesentlichen Informationen: unter anderem Takt, Tempo, Tonart und Tonreihenfolge. Das ist praktisch für Folk-Musiker ohne Notenkenntnisse – und für Computerwissenschaftler, die Daten brauchen.

Digitales Endlos-Konzert

Also fütterten die Wissenschaftler ihre Maschine, damit sie lernen konnte, eigene Tunes zu komponieren. Das Resultat überraschte den Musikwissenschaftler Ben-Tal: «Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die Maschine verhältnismässig gute Musik erzeugen würde.»

Insgesamt waren die Forscher zufrieden mit dem Resultat. Die Musik sollte jedoch nicht sang- und klanglos im Archiv der Universität verschwinden. Darum schuf Sturm «The Endless Traditional Music Session». Die Website spielt über 30‘000 der Maschinen-Tunes in einem ewigen Konzert.

Audio
Machine Tune: O'Tana's
00:35 min
abspielen. Laufzeit 35 Sekunden.

Es ist ein faszinierendes, aber gewöhnungsbedürftiges Konzert. Es klingt zu elektronisch, die typischen Verzierungen und Übergänge fehlen, weil sie in der ABC-Notation nicht enthalten sind.

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Maschinen-Musik von Menschen für Menschen

Also kamen wieder Musiker aus Fleisch und Blut ins Spiel: «Es interessant zu sehen, was die Maschine lernt und wie. So sieht man auch, was sie nicht gelernt hat. Darum begannen wir, mit professionellen Folk-Musikern zusammenzuarbeiten.»

«Einer der Musiker bestätigte meinen ersten Eindruck», erzählt Ben-Tal. Ungefähr jeder fünfte der generierten Tunes sei gut, habe der Profi geurteilt. Die Profis suchten sich einige der Tunes aus, arrangierten sie – und spielten sie vor Publikum.

Links zu «Machine Tunes»

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Folk-Musik ist für alle

Das war ganz im Sinne der Wissenschaftler, die mit ihrem Projekt auch etwas an die Musik-Praxis zurückgeben wollen. Darum ist eine Auswahl Maschinen-Tunes als Sammlung als PDF erhältlich.

Die Tunes sind für alle zugänglich. Die Forscher beanspruchen kein Copyright für die Kreationen ihrer Maschine. Das würde dem Prinzip des traditionellen Celtic Folk widersprechen, findet Sturm: «Bei Folk Music geht es nicht um den Besitz.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Screenshot, 13. April 2017, 17.40 Uhr.

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