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Natur pur, Schweizer Berge im Hoch
Aus Kulturplatz vom 28.03.2018.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 26 Sekunden.
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Instagram-Fotografie Die perfekt inszenierte Schweizer Natur als Sehnsuchtsort

Silvan Widmer scheut keine Mühen. Er schleppt das volle Profi-Equipment auf den Berg und wartet – oft stundenlang. Für seine 47'000 Followers auf Instagram nimmt der Fotograf das in Kauf.

Der Säntis hält sich versteckt. Von der Gondel aus, ist die Spitze des höchsten Alpsteinbergs nicht zu sehen. Sie liegt im dichten Nebel.

Mein Denken hat sich durch Instagram verändert.

Doch Silvan Widmer bleibt optimistisch. Sein Ziel: ein kurzes Zeitfenster, in dem die Sonne durchdrückt, so dass er über dem Nebelmeer das perfekte Foto schiessen kann. Der Hobbyfotograf war schon zigmal hier oben. Das Alpsteingebirge ist Widmers Jagdgebiet. Hier schiesst er die meisten Bilder, hier findet er seine Lieblingsmotive.

Säntis im Nebel
Legende: Das Licht fehlt an diesem nebligen Märztag auf dem Säntis. Für den Fotografen Silvan Widmer heisst es jetzt warten. Und hoffen. Silvan Widmer

Der Säntis, der Fälensee, der Seealpsee – alles mehrfach fotografiert, um es auf Instagram zu stellen. «Ich versuche mir genau vorzustellen, welches Motiv ich ins Zentrum nehme», sagt Silvan Widmer. «Auf Instagram steht mir ein quadratisches Format zur Verfügung oder ein leichtes Hochformat. Mein Blick hat sich inzwischen darauf eingestellt. Mein Denken hat sich durch Instagram verändert.»

Entschleunigung am Berg

Ausgerechnet im schnelllebigen Instagram probt Widmer Entschleunigung. Unberührte Landschaften, die Natur als Sehnsuchtsort – das ist sein Markenzeichen und dafür wartet er auch schon einmal, bis alle Wanderer aus seinem Sucher verschwunden sind.

Warten – das muss er auch an diesem Märztag auf dem Säntis. Aber Widmer kennt das längst: «Das ist genau das, womit Du als Fotograf rechnen musst. Du gehst an einen Spot und hoffst, dass gutes Wetter kommt – aber eigentlich kannst Du nicht mehr als hoffen – und ein paar Stunden warten, bis Du das Foto schiessen kannst.»

Sternenhimmel in den Bergen
Legende: Er stelle seine Bilder auf Instagram, um den Menschen die Bergwelt zu zeigen, sagt Widmer. Silvan Widmer

Das volle Profi-Equipment

Für seine 47'000 Followers nimmt Widmer das in Kauf. Er stelle seine Bilder auf Instagram, um den Menschen die Bergwelt zu zeigen, sagt Widmer. Aber auch das Feedback seiner Instagram-Abonnenten geniesst er. «Ich freue mich, wenn die Leute sagen: ‹Coole Bilder hast Du da gemacht.› Das sind die Momente, die mich antreiben.»

Bei Instagram heisst Einzigartigkeit allerdings auch Wiederholung.

Handyschnappschüsse waren gestern. Widmer schleppt das volle Profi-Equipment auf den Berg. Drei Objektive, ein Stativ. Der einzigartige Augenblick, den es einzufangen gilt, muss perfekt sein.

Wiederholter Wow-Effekt

Bei Instagram heisst Einzigartigkeit allerdings auch Wiederholung. Nicht nur, dass Landschaftsfotografie auf Instagram momentan ein grosser Hype ist. Auch werden einzelne Motive wieder und wieder fotografiert. Hashtag #Matterhorn: Unter dieser Bezeichnung findet sich der Berg in millionenfachen Variationen.

Auch Widmer hat das Matterhorn einige Male abgelichtet. «Ganz klar – im Normalfall generiert ein Bild vom Matterhorn ziemlich sicher mehr Likes als ein Bild vom Säntis. Darin liegt für mich auch hin und wieder der Reiz: bestehendes neu zu inszenieren und für einen Wow-Effekt zu sorgen.»

Bergpanorama im Nebel
Legende: Bei Instagram heisst Einzigartigkeit auch Wiederholung. Sprich immer wieder dieselbe Bergspitze. Silvan Widmer

Mit seinem geliebten Alpstein kann der Toggenburger jedoch ebensolche Erfolge verzeichnen. Ein Foto vom Fälensee wurde bereits über 11'000 mal mit einem roten Herz markiert. «Ein Bild, das keinen sogenannten ‹Famous Spot› darstellt. Das hat mich extrem gefreut.»

Mit seinen Followern könnte Silvan Widmer bares Geld verdienen. Doch das treibt ihn nicht an. Outdoorkleidung von Sponsoren oder manchmal ein zusätzlicher Auftrag für seine Werbeagentur, mehr will er nicht.

Das Instagram-Herz schlägt

Für Widmer geht es vielmehr um ein Zusammenspiel von Naturbegeisterung und digitaler Euphorie. Als Resultat finden seine Followers ein paar Sekunden Zuflucht im geordneten Quadrat – zum Innehalten beim täglichen Fingerwischen durch die sozialen Medien.

Auch an diesem vernebelten Tag im März ist es Silvan Widmer vergönnt: Die Sonne drückt für ein paar Minuten durch. Sogar eine Bergdohle bequemt sich vor Widmers Objektiv. Da schlägt das Instagram-Herz höher. Mit knapp 8000 Likes.

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